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Die Medica von Bologna / Roman

Die Medica von Bologna / Roman

Titel: Die Medica von Bologna / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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darum.«
    »Nein«, sagte ich. Ich sagte es ganz leise, denn plötzlich hatte mich alle Kraft verlassen. Schwindel ergriff mich, und ich sah wieder die große rote Wolke auf mich zufliegen, wie damals im Werkstattzimmer unseres Hauses, als Signora Donace meine Mutter anschrie, und die rote Wolke kam näher und näher, sie füllte den ganzen Gastraum aus, drohte mich zu ersticken und begrub mich unter sich.
    Dann schwanden mir die Sinne.

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Teil 3
    Latif

Das Schilfrohr
    La canna
    ch schlug die Augen auf und blickte in das besorgte Gesicht von Latif. »Allah sei Dank!«, rief er. »Ihr seid wieder bei Euch, Herrin.«
    »Was ist geschehen?«, flüsterte ich. »Wo bin ich?«
    »In Eurem Bett, Herrin.« Latif richtete sich auf und gab den Blick frei auf die vertrauten Szenen der Schöpfungsgeschichte an der Decke meines Schlafzimmers. Das beruhigte mich, denn tief in meinem Innern spürte ich eine starke Anspannung. Ich versuchte zu ergründen, woher sie rührte, aber ich kam nicht darauf. Irgendetwas war passiert, aber ich wusste nicht, was. »Ich habe Durst«, sagte ich.
    »Das ist kein Wunder, Herrin«, antwortete Latif. »Ihr wart drei Tage im Land hinter den Träumen. Aber jetzt, Allah, dem Gnädigen, dem Huldreichen, sei Dank, seid Ihr endlich aufgewacht. Ich wollte schon Doktor Valerini holen oder Schwester Marta von San Lorenzo, aber so ist es besser, denn wie Ihr wisst, bin ich schlecht zu Fuß. Ich habe Euch den Zimtrosen-Trank gemacht, den sollt Ihr jetzt trinken.«
    Ich schlürfte vorsichtig den brühheißen Aufguss, den er mir an die Lippen hielt, und spürte seine stärkende Wirkung. »Du sagst, ich hätte drei Tage geschlafen, Latif?«, fragte ich.
    »Ja, Herrin, genauer gesagt, zwei Tage und drei Nächte. Der dritte Tag beginnt gerade. Ich danke Allah, dass Er Euch noch nicht zu sich gerufen hat.«
    »Warum hätte er das tun sollen?«
    »Das habe ich Ihn auch gefragt. Ich habe Ihn immer wieder angerufen und Ihm erklärt, was für ein guter Mensch Ihr seid, auch wenn Ihr manchmal etwas zum Geiz neigt und meine Kochkünste nicht zu schätzen wisst. Das war sehr anstrengend, Herrin, denn jedes Mal musste ich meinen Gebetsteppich ausrollen und anschließend wieder einrollen, und das Knien und Vorbeugen beim Beten fällt mir doch so schwer. Aber ich denke, Allah hat meine Worte verstanden, sonst hätte es Ihm nicht gefallen, Euch wieder wach werden zu lassen. Wollt Ihr noch mehr von dem Zimtrosen-Trank?«
    »Nein danke. Sag mir jetzt, wie ich in mein Bett gekommen bin, denn daran kann ich mich nicht erinnern.«
    Latif kullerte mit den Augen. »Es war abends, Ihr wart fortgegangen, und ich wartete auf Euch. Dann kam dieser Wirt, Paolo heißt er, mit einem Karren, und auf dem Karren lagt Ihr. Ihr wart bewusstlos, und Paolo sagte, Ihr hättet Streit mit Doktor Tagliacozzi gehabt, so schrecklich laut, dass man es bis auf die Straße hören konnte, aber der Doktor hätte gesagt, es ginge Euch gut, obwohl Ihr immerfort geschrien und am ganzen Körper gezuckt habt. Der Doktor hätte ihm ein Trinkgeld gegeben und darum gebeten, dass Ihr nach Hause gebracht werdet. Das hat dieser Paolo dann auch getan. Und seitdem sitze ich hier an Eurem Bett und mache mir Sorgen, Herrin.«
    »Danke, Latif«, murmelte ich. »Es ist gut.«
    »Was habt Ihr, Herrin, warum wendet Ihr Euch ab?«
    Ich antwortete nicht. Die Erinnerung war jählings wiedergekommen und hatte mich wie ein Schlag getroffen. Sie tat mir so weh, dass ich kein weiteres Wort hervorbrachte.
     
    Ich lag den ganzen Tag im Bett, aß nichts, trank nichts und sprach auch nicht mit Latif. Ich war so teilnahmslos, dass mein armer Diener schier verzweifelte. »Ich wünschte, ich hätte Haare, Herrin!«, rief er. »Dann hätte ich wenigstens etwas, das ich mir raufen könnte. Was soll ich nur tun, um Euer Schweigen zu brechen?«
    Was er auch sagte, ich antwortete nicht. Schließlich tat er etwas Erstaunliches. Er ging in den Nebenraum und holte den kleinen Hausaltar, vor dem meine Mutter immer so innig mit ihrem Schöpfer Zwiesprache gehalten hatte. Er stellte ihn vor mich hin und sagte: »Allah, der Wissende, der Kenntnisreiche, vermochte Euch aus dem Drei-Tage-Schlaf zu erwecken, Herrin, vielleicht ist der Christengott in der Lage, Euch zum Reden zu bringen? Bitte, versucht es mit einem Gebet.«
    »Nein, nicht nötig«, murmelte ich kaum hörbar.
    »Oh, Herrin!« Latif klatschte vor Freude in die Hände. »Ihr könnt ja doch noch sprechen! Wer hätte gedacht, dass der

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