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Die Medica von Bologna / Roman

Die Medica von Bologna / Roman

Titel: Die Medica von Bologna / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Schwangerschaft und die kommende Geburt zu konzentrieren. Alles andere will ich vergessen.«
    »Ich verstehe, Herrin.«
    »Gleich Anfang des Jahres will ich zur Oberin von San Lorenzo gehen und sie um einen längeren Urlaub bitten. Ich werde ihr sagen, dass ich eine Zeit der inneren Einkehr brauche, um mit mir ins Reine zu kommen. Ich will ein neues Leben beginnen, ein Leben, das ruhig und stetig dahinfließt, denn der Enttäuschungen bin ich leid.«
    »Auch ich habe viele Enttäuschungen in meinem Leben hinnehmen müssen, Herrin. Lasst mich deshalb an Eurer Seite sein.«
     
    Das neue Jahr 1577 begann so, wie ich es geplant hatte. Ich regelte die Dinge, die ich regeln wollte, und lebte zurückgezogen mit Latif in der Strada San Felice. Zu meinem Erstaunen entwickelte mein Diener, der nach wie vor wenig Begabung für Küche und Hausarbeit zeigte, ein beachtliches Maß an handwerklichem Geschick. Eines Tages überraschte er mich, indem er schnaufend eine Wiege in mein Schlafzimmer schleppte. »Die ist für Giancarlo, Herrin«, sagte er. »Ich habe sie selbst gebaut.«
    Ich betrachtete die Wiege von allen Seiten. Sie war aus Pinienholz getischlert, hatte gute Proportionen und war mit lustigen, bunten Figuren bemalt. »Sie ist wunderschön«, sagte ich. »Giancarlo wird sich freuen.«
    Latif stellte die Wiege neben mein Bett. »Wann ist es eigentlich so weit, Herrin?«
    »Du meinst die Geburt? Mitte Juli dürfte mein Kleiner das Licht der Welt erblicken.«
    »Hoffentlich erschrecke ich ihn nicht.«
    »Wie meinst du das?«
    Latif tippte sich vielsagend an seinen Nasenstumpf.
    »Ach, das meinst du. Es wird ihm nichts ausmachen. Ein Kind unterscheidet nicht zwischen hässlich und schön.«
    »Seht Ihr, Herrin, da sagt Ihr es selbst: Ich bin hässlich!«
    »Unsinn.« Ich suchte nach Worten. Ich hatte Latif keinesfalls beleidigen wollen, deshalb sagte ich: »Ich für meinen Teil bin ja auch entstellt.«
    Latif blickte mich traurig an. »Bei Euch ist es etwas anderes, Herrin. Ihr habt eine Kristallseite und eine Rubinseite im Gesicht, ich dagegen habe nur einen Krater. Könntet Ihr nicht versuchen, mich zu operieren?«
    Natürlich hatte ich schon öfter daran gedacht, eine Nasenrekonstruktion an ihm vorzunehmen, war aber immer wieder davor zurückgeschreckt. Einerseits wegen seiner großen Leibesfülle, andererseits wegen seines Hangs zum Jammern und Zetern. Ich beschloss, ihm keine direkte Antwort zu geben, und sagte stattdessen: »Wie ist es eigentlich zu der Verstümmelung deiner Nase gekommen? Ich habe dich das schon ein paarmal gefragt, aber du hast dich immer um die Antwort herumgedrückt.«
    »Ach, Herrin.« Latif schaute komisch verzweifelt. »Das ist das traurigste Kapitel meines Lebens. Muss ich wirklich darüber sprechen?«
    »Ich denke, es ist Zeit. Der Arzt, der operiert, muss alles über seinen Patienten wissen, besonders aber, wie es zu seinem Krankheitsbild kam. Nur dann kann er auch wirksam helfen.«
    »Ja, Herrin. Ich will darüber sprechen, aber es ist kein Ruhmesblatt in meinem Leben. Ich habe mich sehr dumm benommen und bin dafür bitter bestraft worden.«
    »Setz dich, Latif, und nimm dir Zeit. Ich höre.«
    Latif wuchtete seine Massen auf einen kräftigen Stuhl und begann: »Wie Ihr wisst, Herrin, war ich ein unbedeutender Eunuch im Yeni Sarayı von Sultan Murad III . Der Sultan selbst ist von erträglichem Wesen, was aber leider nicht für seine Erste Hauptfrau, die Haseki, gilt. Sie ist empfindlich wie eine Mimose und gefährlich wie eine Hornisse. Und ungeduldig! Ihre Augen schießen Blitze, wenn bei der Erfüllung ihrer Wünsche auch nur die kleinste Verzögerung eintritt. Normalerweise hatte ich mit ihr überhaupt nichts zu tun – dafür war ich ein viel zu kleines Licht –, aber an einem heißen Augusttag im vorletzten Jahr ereilte mich das Pech, denn ich musste ihren persönlichen Wedelschwenker vertreten.«
    »Was ist ein Wedelschwenker?«, fragte ich.
    »Ich erzählte Euch doch, Herrin, dass es im Yeni Sarayı für alles und jedes eine Extrahand gibt, so auch eine, die der Haseki kühle Luft zufächelt. Meine Hand indes war wenig geübt in dieser Kunst, weshalb ich den Wedel aus Straußenfedern bei den ersten Schlägen noch recht unbeholfen und langsam führte. Dann kam es, wie es kommen musste. Sie fuhr mich an, ich solle schneller wedeln, und ich antwortete in meinem Wahn: »Jawohl, große, erlauchte Herrscherin. Ich tue, was ich kann, aber das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran

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