Die Medica von Bologna / Roman
als recht, meine Lieblingsgerichte zu kochen, drückte mir Nadel und Faden in die Hand, weil er hoffte, ich würde wieder zu schneidern beginnen, sang mir Liebeslieder aus Konstantinopel vor, brachte mir Bella, die Puppe, die in meinen Kindheitstagen sprechen konnte, und Eva, das Anatomiepüppchen von Alberto Dominelli, dem verstorbenen Sammler aller Dinge, die klein sind.
Er bot mir roten Lambrusco aus Friaul zur Erhellung meiner Sinne an, besorgte Wildschweinpastete aus der Lombardei zur Stärkung meiner Leber, schwenkte Duftkissen und Duftkugeln vor meiner Nase, um mir eine Reaktion zu entlocken, versuchte, meine Gleichgültigkeit durch laute Geräusche zu verjagen, tanzte und tollte vor meinem Bett in den unmöglichsten Verrenkungen, flehte zu Allah, dem Erbarmer, dem Barmherzigen, er möge mich heilen – und tat noch vielerlei mehr.
Doch es nützte alles nichts.
Ein hinzugezogener Arzt untersuchte mich mit der gebotenen Diskretion und kam zu dem Schluss, dass ich an unheilbarer Schwermut litt. »Du wirst dich darauf einrichten müssen, deine Herrin bis an das Ende ihrer Tage zu betreuen«, sagte er zu Latif.
»Wenn es so sein soll, werde ich es tun, Dottore«, antwortete mein Diener.
Aber Gott der Allmächtige hatte anderes mit mir vor, denn eines Morgens hörte ich vor meinem Fenster ein Kind weinen, und dieses Weinen sollte der Grund für meine Rettung werden.
»Wer weint da, Latif?«, fragte ich.
Latif eilte hinaus. »Ein kleines Mädchen aus der Nachbarschaft, Herrin«, meldete er. »Oh, Herrin, warum fragt Ihr? Interessiert Euch wirklich, wer da weint? Wartet, ich will nochmals vor die Tür und herausfinden, warum die Kleine so traurig ist.«
Wieder stürmte er fort, um wenig später eifrig zu berichten, dass er mit der Mutter des Mädchens gesprochen habe und dass die Kleine an einem Bruch leide, der ihr Schmerzen verursache.
Ich schwieg und verfiel wieder in Teilnahmslosigkeit.
Latif fuhr fort: »Die Mutter sagt, ihre Kleine würde nicht nur wegen des Wundschmerzes weinen, sondern auch, weil sie wegen des Bruchs nicht mit den anderen Kindern spielen kann. Sie wäre immer allein, sie würde ständig gehänselt.«
»Gehänselt?«, fragte ich.
»Ja, Herrin. Weil der Bruch so groß und wulstig aus ihrer Leiste hervorquillt. Kleine Kinder können oftmals sehr grausam sein.«
»Ja«, sagte ich. Dass Kinder grausam sein können, wusste ich aus eigener Erfahrung nur zu gut. »Lass mich jetzt weiterschlafen.«
Aber Latif dachte nicht daran, mich schlafen zu lassen, denn wenig später stand er wieder an meinem Bett und sagte: »Starrt nicht immer gegen die Wand, Herrin, da ist nichts. Schaut lieber zu mir. Wir haben Besuch.«
Ich reagierte nicht, aber ein winziges Stimmchen piepste: »
Buongiorno,
Signorina Carla.«
Ich drehte mich um und erblickte ein kleines Mädchen in einem vielfach geflickten Kleid. Die Kleine war sichtlich verlegen, wohl auch wegen meines Feuermals, knetete die Hände und blickte zu Boden.
»Sag Signorina Carla, wie du heißt«, forderte Latif sie auf.
»Teresa«, wisperte die Kleine.
»Und wie alt bist du?«
»Fünf.«
»Und wo wohnst du?«
Diesmal gab Teresa keine Antwort. Hastig wandte sie sich um und rannte hinaus.
»Sie ist etwas schüchtern«, erklärte Latif.
Ich antwortete nicht und drehte mich zur Wand.
Am anderen Tag hörte ich das Weinen wieder. Es drang wie ein Lichtstrahl durch meinen Trübsinn und verlangte nach meiner Aufmerksamkeit. Ich rief Latif und sagte zu ihm: »Schick das Kind weg. Das Weinen stört mich.«
»Ja, Herrin, Ihr scheint ein Herz aus Stein zu haben.«
»Ich habe kein Herz aus Stein.«
»Wie Ihr meint, Herrin.«
Nach einem weiteren Tag herrschte draußen Ruhe. Ich kann nicht sagen, dass mich die Ruhe störte, aber sie war ungewöhnlich, etwas fehlte mir, und ich fragte Latif: »Wieso weint das Kind nicht?«
»Ich weiß es nicht, Herrin, aber ich werde sofort nachforschen.«
Als er wieder da war, sagte er: »Teresa ist zu Hause bei ihrer Mutter geblieben, denn die Nachbarskinder waren heute Morgen besonders hässlich zu ihr. Sie haben sie ›Krüppel‹, ›Ungeheuer‹ und sogar ›Hexe‹ gerufen. Sie weint und ist verzweifelt.«
Ich schwieg und stellte mir Teresa vor, wie sie zu Hause in einer Ecke saß, schluchzend, den Kopf in ihren kleinen Händen vergraben.
Latif sagte: »Ich habe eine Holzpuppe geschnitzt, die werde ich ihr gleich bringen, damit sie auf andere Gedanken kommt. Soll ich ihr etwas von Euch ausrichten,
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