Die Medica von Bologna / Roman
fehlt.«
Tagliacozzi setzte sein amüsiertes Lächeln auf. »Darum geht es also.«
»Ja, genau darum geht es.«
»Nun gut, dann lass dir sagen, dass ich dieses Buch ganz allein geschrieben habe, es bestand also kein Grund, deinen Namen zu erwähnen.«
»Ich habe wesentliche Erkenntnisse zum Inhalt beigetragen, die Kapuzenweste, die Rückstichnaht, den Schließmechanismus der Greifzange, ich habe …«
Tagliacozzi unterbrach mich. »Unsinn, das sind alles Dinge, die ohne die Zusammenarbeit mit mir, ohne den Hintergrund meiner Erfahrung, ohne mein Wissen als Arzt nie entstanden wären.«
Angesichts dieser ungeheuerlichen Antwort verrauchte ein Teil meines Zorns und ließ Fassungslosigkeit zurück. »Das ist nicht dein Ernst. Das kann dein Ernst nicht sein.«
»Nie habe ich etwas ernster gemeint.«
»Aber du hast mein Gedankengut als deines ausgegeben! Erinnerst du dich nicht? Die Kapuzenweste ist meine Erfindung. Der stufenlose Schließmechanismus …«
»Alles Dinge, die es vorher schon gegeben hat oder dank meiner wissenschaftlichen Forschung entwickelt wurden. Es kann sein, dass wir über das eine oder andere einmal gesprochen haben, aber was heißt das schon. Das Buch ist über fünfhundert Seiten stark, es ist mein Werk.«
»Ich … ich …« Mir fehlten die Worte. Eine solche Dreistigkeit war mir im Leben noch nicht widerfahren. »Aber …«
»Du solltest jetzt gehen. Es würde mir leidtun, wenn ich dich hinauswerfen lassen müsste. Du bist nur eine kleine Hilfsschwester, die mir ein paarmal vor Studenten zur Hand ging, mehr nicht. Ich kenne dich kaum, vergiss das nicht.«
»Du bist der Vater von Giancarlo«, flüsterte ich, »und da behauptest du, mich nicht zu kennen?«
»Der Name Giancarlo sagt mir nichts.«
»Er war dein Sohn. Du redest nur so, weil er tot ist. Wahrscheinlich warst du sogar froh, als du davon erfuhrst.«
Tagliacozzi richtete sich zu voller Größe auf. »Signorina Carla, ich muss Euch bitten, mein Haus unverzüglich zu verlassen. Ihr habt meine Zeit lange genug in Anspruch genommen.«
»Ich verstehe«, murmelte ich. »Ich verstehe. Ich gehe schon.«
»Bitte durch den Nebeneingang.«
Ich weiß nicht mehr, wie ich nach Hause kam, ich weiß nur noch, dass ich in meinem Schlafgemach zusammenbrach und hemmungslos schluchzte. Ich konnte, ich wollte nicht begreifen, was Tagliacozzi mir angetan hatte. Wie konnte ein Mensch nur so abgrundtief schlecht sein? Stundenlang fragte ich mich das, immer wieder, aber ich fand keine Antwort. Irgendwann trat Latif in mein Zimmer, setzte sich an mein Bett und ergriff meine Hand. Er sagte nichts, und ich ließ es geschehen. Es tat gut, seine Nähe zu spüren, sie wirkte vertraut und beruhigend auf mich.
Irgendwann muss ich trotz meiner Verzweiflung eingeschlafen sein, denn als ich wieder erwachte, schien die Sonne durch das Fenster, und ich erkannte, dass es Morgen war.
Ein Schnaufen unterbrach meine Gedanken. Latif lag vor meinem Bett, massig, unerschütterlich – schlafend. »Latif«, sprach ich ihn an. »Was machst du hier?«
Er wachte auf, rieb sich die Augen und sagte: »Ich bewache Euch, Herrin.«
»Das hättest du nicht müssen.«
»Verzeiht, Herrin, aber manchmal wisst Ihr nicht, was notwendig ist und was nicht. Es war zum Beispiel nicht notwendig, gestern zu dem schändlichen Mann, der abtreiben lassen wollte, zu gehen. Ihr hättet auf mich hören sollen, aber auf mich hört ja keiner. Soll ich Euch jetzt ein Frühstück machen?«
»Ich habe keinen Hunger.«
»Das wusste ich. Ich mache Euch trotzdem etwas. Von der Forelle gestern ist noch ein Filetstück da, das solltet Ihr essen. Ich habe jede Gräte einzeln mit einer Eurer Pinzetten herausgezogen.«
Was blieb mir anderes übrig, als ihm zu gehorchen. Wenig später aß ich die Forelle mit gewärmtem Brot und trank dazu verdünnten Wein. Die Speise stärkte mich, während Latif in der Küche geschäftig hin und her lief und einige Male das Wort an mich richtete.
Ich aber hörte ihm nicht zu, denn meine Gedanken kreisten wieder um die Geschehnisse in Tagliacozzis Haus. Und je mehr ich darüber nachdachte, desto größer wurde abermals mein Zorn. Tagliacozzis Verhalten war eine Unverfrorenheit, eine Schamlosigkeit gewesen, die ich so nicht hinnehmen konnte. Er hatte mich behandelt wie eine niedere Dienstmagd und mir am Ende sogar die Tür gewiesen. Ich hatte eine Niederlage eingesteckt, eine schwere Niederlage, aber auch ich hatte meinen Stolz.
»Ich habe auch meinen
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