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Die Medica von Bologna / Roman

Die Medica von Bologna / Roman

Titel: Die Medica von Bologna / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Und schön und gesund würde auch Teresas kleiner Leib nach der Operation wieder werden.
    Meine etwas mystische Erscheinung verfehlte ihre Wirkung nicht. Mutter und Kind beruhigten sich, und ich leitete die ersten Schritte ein, die ich mir durch Nachschlagen in der Literatur noch einmal eingeprägt hatte. Nachdem Teresa sich hingelegt hatte, tastete ich vorsichtig die apfelgroße Erhebung in der Leiste ab. Unwillkürlich fühlte ich mich an die Pest-Bubonen erinnert, die ich Jahre zuvor in Venedig behandelt hatte. Gottlob waren die Heilungsaussichten hier sehr viel besser. Ich tastete weiter und glaubte ein leises Rumpeln zu spüren – verursacht durch Bewegungen im Darm. Ein typisches Zeichen bei diesem Krankheitsbild.
    »Es scheint ein ganz normaler Bruch zu sein. Die Wissenschaft spricht auch von einer Hernie«, sagte ich.
    »Wie entsteht so etwas denn?«, fragte Signora Mezzini leise.
    »Der Bruch entsteht, wenn Eingeweide oder ein Stück Darm aus einem Loch in der Bauchwand hervortreten. Ein solches Loch nennt man Bruchpforte. Das Hervorgetretene, also das, was als Geschwulst fühlbar ist, sowie das Bauchfell darum nennt man Bruchsack.«
    Signora Mezzini nickte, aber ich sah, dass sie meinen Ausführungen nicht ganz folgen konnte. Deshalb schwieg ich und machte weiter. Ich rieb die Stelle mit Weinessig ein und fragte Teresa, wie sie die Holzpuppe von Latif fände. Sie antwortete, das Püppchen sei hübsch, aber ziemlich hart, und ich sagte: »Ich habe hier auch etwas Hartes. Es ist ein Skalpell. Damit mache ich das dicke Ding da unten weg, das geht ganz schnell. Am besten, du siehst nicht hin und denkst an etwas Schönes.«
    Teresa versprach es, wenn auch ein wenig unsicher.
    »Du wirst kaum etwas spüren.« Vorsichtig durchtrennte ich die Haut über dem Bruchsack und fragte: »Tut das weh?«
    »N … nein.«
    »Du bist sehr tapfer.« Nachdem ich den Schnitt getan hatte, erweiterte ich die Bruchpforte mit einer kleineren Klinge und schob daraufhin den Bruchsack in die Bauchhöhle zurück. Ich ging sehr langsam und sorgfältig vor, bis ich sicher war, dass alles wieder an seinem angestammten Platz saß. Danach griff ich zu Nadel und Faden und nähte die Bauchwand auf ganzer Länge zu.
    Die Operation dauerte keine halbe Stunde, und als ich sie beendet hatte, war ich genauso erleichtert wie meine kleine Patientin und ihre Mutter. »Ich lege jetzt noch einen zusammenziehenden Verband an«, sagte ich zu Teresa. »Den musst du fünfzehn Tage tragen. Aufstehen darfst du während dieser Zeit nur, um auf den Abtritt zu gehen. Und du darfst nur leichte Sachen essen, damit du keine Schwierigkeiten auf dem Abtritt hast. Meinst du, du schaffst das?«
    »Jaha.«
    »Schön. Alle drei Tage will ich zu dir kommen und den Verband wechseln. Und wenn du keinen Verband mehr brauchst, will ich dafür sorgen, dass du ein schönes rundes Polster über der Stelle trägst. Das Polster ist gelb und hat ein Gesicht wie die Sonne, wenn sie lacht. Allerdings ist an der Sonne ein Gurt aus Leinen, damit sie nicht herunterfällt, aber das stört dich nicht, oder?«
    Teresa schaute fragend ihre Mutter an, und diese schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte Teresa.
    »Das ist fein. Du brauchst die Sonne auch nur ein paar Monate zu tragen, dann geht sie sowieso unter, und deine Stelle ist endgültig wieder gut.«
    Signora Mezzini schaute ihr Töchterchen an und fragte: »Wie sagt man jetzt?«
    »Danke, Signorina Carla.«
    »Nichts zu danken.« Ich war gerührt. Zumal Signora Mezzini plötzlich eine prächtige Pfauenfeder hervorzog und sie mir mit einem scheuen Lächeln überreichte. »Ihr wisst ja, Signorina, dass ich nicht viel habe, aber diese Feder möchte ich Euch dennoch schenken. Sie würde gut zu einem Barett passen.«
    »Ihr sollt mir nichts schenken«, sagte ich, aber ich nahm die Gabe gerne an. Um meine aufkommende Verlegenheit zu überbrücken, rief ich nach Latif, der aus Gründen des Anstands unten im Haus gewartet hatte. Als er kam, sagte ich ihm, er solle meine kleine Patientin nach Hause tragen, aber bitte recht vorsichtig und ohne hektische Bewegungen.
    »Ja, Herrin!«, rief er. »Allah hat ein Wunder vollbracht!«
    Später saßen wir beide am Esstisch, und Latif schenkte mir ein Glas Wein ein. »Der Große Prophet sagt, Alkohol ist
haram,
Herrin, aber weil Ihr ungläubig seid, ist er für Euch nicht zuständig, und deshalb mag es angehen, dass Ihr ein Schlückchen trinkt. Ihr habt es Euch wahrhaftig verdient.«
    »Danke, Latif.«

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