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Die Medica von Bologna / Roman

Die Medica von Bologna / Roman

Titel: Die Medica von Bologna / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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dass er sich scheiden ließe, um sie heiraten zu können. Doch Giovanni Andrea dachte nicht daran, denn er liebte seine Frau Isabeta Quaiarina, die ihm schon mehrere Kinder geschenkt hatte. Da bat Eure Mutter ihn, wenigstens dafür zu sorgen, dass seine Familie Euch an Kindes statt annehme, damit Eure Zukunft gesichert sei. Aber die Tagliacozzis lehnten ab wegen der Rubinseite in Eurem Gesicht. Sie wollten, so hieß es, eine derart entstellte Person nicht in ihrer Mitte haben.«
    »Nein«, flüsterte ich zum wiederholten Mal, als könne ich mich dadurch gegen die Wahrheit wehren.
    »Besonders die Frauen fürchteten die gefährlichen Auswirkungen der
voglia di peccato.
Sie überredeten Giovanni Andrea, für Eure Mutter ein Haus zu kaufen und ihr eine Summe Geldes zu geben, damit sie ihre Forderungen zurücknahm. Das tat sie auch, denn sie hatte begriffen, dass ihr Kind – also Ihr, Herrin – in der Tagliacozzi-Familie niemals glücklich werden würde.«
    Latif machte eine Pause. Vielleicht wollte er mir Gelegenheit geben, mich zu äußern. Aber als ich schwieg, fuhr er fort: »Das Geld, das Eure Mutter von der Familie bekam, hielt nicht lange vor, so dass sie sich gezwungen sah, ihren Lebensunterhalt mit Schneiderarbeiten zu verdienen.«
    »Ja«, sagte ich langsam, »ich verstehe.«
    Und ich verstand tatsächlich. Eines fügte sich zum anderen, und mir wurde klar, warum meine Mutter mich niemals so geliebt hatte, wie eine Mutter ihr Kind lieben soll. Wahrscheinlich hatte sie sich sogar manchmal vor mir und meinem Feuermal gefürchtet, so abergläubig und bigott, wie sie gewesen war.
    »Glaubt Ihr mir nun, Herrin?«
    »Ja, ich glaube dir.« Ich saß wie ein Häufchen Elend am Tisch und dachte an nichts anderes, als dass ich eine Halbschwester von Gaspare Tagliacozzi war. Ich fühlte dabei keinen Stolz und keine Scham, aber Erinnerungen stiegen in mir auf. Ich musste daran denken, wie kühl und abweisend Tagliacozzis Mutter mich immer behandelt hatte, was plötzlich einen ganz anderen Sinn bekam. Und ich musste an meine eigene Mutter denken. Ob beide Frauen wohl jemals aufeinandergetroffen waren? Mir fiel die kostbare Brosche ein, die meine Mutter
Fleur-de-lis
genannt hatte und deren Perlen von Doktor Valerini zu einem fiebersenkenden Mittel verarbeitet worden waren. Die Blumen in der Brosche erinnerten an das Wappen der Tagliacozzis, doch das war mir niemals aufgefallen, denn außer den Blumen war darin noch ein Springbrunnen abgebildet. Hatte Gaspares Vater meiner Mutter die Brosche zum Zeichen seiner Liebe geschenkt?
    Auch Mutter Florienca, die gütige Oberin, fiel mir ein, die bei unserer ersten Begegnung »armes Kind, armes Kind« zu mir gesagt hatte, was ich auf meine Entstellung durch das Feuermal zurückführte. Dabei hatte sie nur den Makel meiner unehelichen Geburt gemeint.
    Meine Gedanken drehten sich weiter, und ich kam zu der Erkenntnis, dass viele Menschen um meine Herkunft wussten, viel mehr, als ich jemals vermutet hätte, und dass Pater Edoardo, der mich als Kind unsittlich berührt und sich danach zum Guten gewandelt hatte, wahrscheinlich auch dazugehörte. Und ich kam zu einer weiteren, noch viel erschreckenderen Erkenntnis: dass ich mit meinem eigenen Bruder ein Kind gezeugt hatte. Ich schämte mich dafür in Grund und Boden, obwohl es unwissentlich geschehen war. Wie aus weiter Ferne hörte ich Latifs Stimme an mein Ohr dringen: »Werdet Ihr nun zum Generalvikar gehen, Herrin?«
    »Nein«, sagte ich, »ich will sterben.«

Die Schmähschrift
    Il libello
    ch starb nicht, obwohl mein Zustand dem des Todes ziemlich nahekam. Ich schien wie gelähmt, geistig wie körperlich, aß und trank kaum und lag teilnahmslos in meinem Bett.
    Zwei lange Jahre ging das so, zwei Jahre, in denen Latif getreu an meiner Seite blieb. Er tat alles Menschenmögliche, um die Mauer meines Schweigens zu durchbrechen, aber es war vergebens. Er erzählte mir Geschichten aus seiner Zeit im Topkapı-Palast, heitere, lustige, alberne Geschichten, aber ich verzog keine Miene. Er berichtete von Ereignissen in der Stadt, von Festen, Umzügen und Musikveranstaltungen, schilderte gestenreich das Wetter, das draußen herrschte, klagte lauthals über die hohen Marktpreise, schnitt Grimassen wie Sberleffo, der Bettler, um mich aufzuheitern, besorgte mir Bücher verschiedenster Art und las mir stundenlang daraus vor. Doch ich hatte an alledem kein Interesse.
    Er massierte mir kundig Arme und Beine mit Olivenöl, versuchte mehr schlecht

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