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Die Medica von Bologna / Roman

Die Medica von Bologna / Roman

Titel: Die Medica von Bologna / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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gebettelt hatte, hörte ich plötzlich ein zischendes Geräusch an meiner Seite. »Pst!«, machte es. »Carla!«
    Ich wandte mich um und erkannte Latus, der im Schatten der Arkaden des Palazzo Pubblico stand. Er näherte sich vorsichtig und bedeutete mir, ihm zu folgen. Ausgerechnet Latus, der Flatus!, dachte ich. Ausgerechnet der Kunstfurzer, dessen Profession ich so befremdlich fand, ist es, den ich hier treffe. Aber ich bin Gott dankbar dafür, unendlich dankbar, denn jetzt weiß ich, dass mir nichts mehr passieren wird.
    »Wir stehen an allen Ecken und Enden der Stadt, um dich zu finden«, erklärte er. »Nur Conor und Fabio sind in der Casa Rifugio zurückgeblieben. Sogar Itzik ist unterwegs und hält die Augen offen. Aber nun haben wir die Nadel im Heuhaufen gefunden.«
    Er winkte einen Halbwüchsigen heran, dessen Gesicht ich nicht kannte, und befahl ihm, die frohe Kunde an alle Freunde weiterzugeben. Dann setzten wir unseren Weg fort und gelangten bald darauf an unser Ziel.
    Als ich die steile Treppe hinunter zum Saal der Bettler stieg, war es mir, als würde ich nach Hause kommen. Ein warmes Gefühl der Sicherheit umfing mich. Alles war mir so vertraut. Der lange Tisch, die Einrichtung, die rußgeschwärzten Deckenbalken. Und natürlich die kleine Ecke, in der ich meine Behandlungsgespräche zu führen pflegte, die Ecke mit den zwei Schemeln und dem Tisch und nicht zuletzt das chirurgische Besteck aus dem Ospedale della Vita.
    Ich setzte mich auf meinen angestammten Platz und merkte plötzlich, wie müde ich war. Latus schien sich in Luft aufgelöst zu haben, ich war allein. Dann, plötzlich, ging die versteckte Seitentür auf, und Conor und Fabio erschienen. Beiden stand die Erleichterung ins Gesicht geschrieben, und Fabio rief: »Carla! Wenn das kein Grund zur Freude ist! Wir sollten gemeinsam ein Gläschen trinken, denn dass du unversehrt wieder in unserer Mitte bist, grenzt an ein Wunder. Conor, bitte, mach du das mit dem Wein, ich habe Angst, etwas zu verschütten.«
    Conor ging zu einem der Fässer, während Massimo, der auf seiner Schulter saß, mit den Flügeln schlug und lebhaft krähte. Es sah ganz danach aus, als würde auch er sich über meine Rückkehr freuen.
    »Hier.« Conor stellte drei gefüllte Becher auf den langen Tisch. »
Salute,
Carla, du bist zurück.
Grazie a Dio!
Wir dachten schon, du wärst im Folterkerker.«
    »Salute«,
sagte ich. »Ich traf Signora Mezzini, die mich warnte und mir die schreckliche Nachricht von der Verhaftung Latifs überbrachte. Sie sagte mir auch, ich solle sofort zu euch zurückkommen. Ich hatte großes Glück.« Ich zögerte und fügte hinzu: »Und Gottes Beistand.«
    »Ja, das hattest du wohl«, sagte Fabio. »Du und wir alle.«
    »Carla!« In der Tür stand Ludovico, der Schminker, blutüberströmt, aber über das ganze Gesicht strahlend. »Sie haben dich ja doch nicht erwischt!«
    »Nein«, sagte ich, »aber es war knapp. Irgendjemand muss mich verraten haben. Irgendjemand, den ich behandelt habe, denn die Handlanger Helveticos wussten, dass ich heimlich als Ärztin tätig war. Aber …«
    »Ja, ist es denn zu glauben, Carla!« Salvatore mit der Klauschürze trat ein. »Ich renne herum und glotze mir die Augen aus den Höhlen, und du bist längst hier! Carla, Carla, du machst Sachen. Erzähl doch mal!«
    »Ich war gerade dabei«, sagte ich und begann noch einmal von vorn. Kurz darauf wurde ich schon wieder unterbrochen, diesmal von Teofilo, dem Tanzmäuser, mit seinem Ebenholzkasten unter dem Arm. Nachdem er wie alle anderen seine Freude über mein Wiederauftauchen kundgetan hatte und gerade noch daran gehindert werden konnte, seine Lieblinge laufen zu lassen, beschlossen wir, meinen Bericht zunächst aufzuschieben, denn noch nicht einmal die Hälfte aller Ausgeschwärmten war zurückgekehrt.
    Nacheinander erschienen Sberleffo, der bei meinem Anblick so überrascht war, dass er vergaß, Grimassen zu schneiden, Giuseppe, der Beutelschneider, Alfonso, der Feuerspeier, und noch einige andere, die zwischenzeitlich in den Rat der Bettelbrüder aufgenommen worden waren. Als Letzter schlurfte Itzik Rosenstern, der alte Jude, zur Tür herein. Als er mich sah, zwinkerte er ungläubig mit den Augen. »
Shalom,
Carla,
shalom.
Wenn ich sagen würd, ich freu mich, wär’s wahr, wenn ich sagen würd, ich freu mich riesig, wär’s untertrieben. Da hat Conor, unser
méjlech,
ja wieder mal recht gehabt. Er hat gesagt, du kommst wieder.
Nebbich,
hab ich gesagt, woher

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