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Die Medica von Bologna / Roman

Die Medica von Bologna / Roman

Titel: Die Medica von Bologna / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Gottesmann zu berichten, aber es immer wieder aufgeschoben. Dass er mir mein Versäumnis nun so unverblümt vorhielt, ärgerte mich. »Wenn Sebastiano mir ein Buch schenkt, geht das nur ihn und mich etwas an«, sagte ich abweisend.
    »Ach, so weit ist es also schon? Ihr ruft den Mann beim Vornamen?«
    »Ja, und? Hast du etwas dagegen?«
    »Nein, Herrin. Ich hätte es nur richtig gefunden, wenn Ihr etwas offener zu mir gewesen wärt.«
    »Du bist nicht mein Mann.«
    »Ja, Herrin, ich weiß. Ich bin nur Euer Diener. Aber bisher dachte ich immer, ich wäre auch ein wenig Euer Mann.«
     
    Ich las die Bibel vom ersten bis zum letzten Wort, und die Widersprüchlichkeit in den Aussagen von Mose und Matthäus blieb nicht der einzige Gegensatz, der mir auffiel. Ich sprach darüber mit Sebastiano, wenn ich ihn sah, und es schmeichelte mir, dass er mir zuhörte und sehr viel Wert auf meine Meinung legte. »Es tut Euch gut, zu lesen, es ist wie geistige Nahrung für Euch«, sagte er und legte seine Hand auf meine.
    Ich entzog sie ihm. »Ja, das glaube ich auch.«
    »Maria, ich habe Euch nie gefragt, wo Ihr Eure Wohnstätte habt, aber ich bin sicher, sie liegt in einer Höhle, ähnlich der Grotta delle Fata. Wollen wir uns nicht künftig dort treffen? Es wäre doch bequemer als hier draußen!«
    »Nein«, sagte ich. Meine Stimme klang hart, härter als beabsichtigt, denn schon einmal war ein Priester in mein Zuhause eingedrungen, und dieser Priester war Pater Edoardo gewesen. Er hatte sich zwar vom Saulus zum Paulus gewandelt, aber das machte die Erinnerung nicht besser.
    »Was habt Ihr, Maria?«
    »Nichts, nur einen unangenehmen Gedanken.«
    »Ihr müsst viel Schlimmes durchgemacht haben.« Wieder nahm er meine Hand, und wieder entzog ich sie ihm. »Ich möchte jetzt gehen, Sebastiano, Latif wartet sicher schon auf mich.«
    »Natürlich.« Enttäuschung schwang in seiner Stimme mit. »Soll ich Euch beim nächsten Mal ein anderes Buch mitbringen?«
    »Nein«, sagte ich und kam mir im selben Augenblick ziemlich unhöflich vor. »Ach, ich weiß es nicht, vielleicht doch.«
     
    Das nächste Buch, das Sebastiano mir im Buchenhain überreichte, war das Werk
Rime
von Dante, denn ich hatte ihm erzählt, wie sehr ich Italiens berühmtesten Dichter verehrte. Die Poesie in diesem Buch berührte mich zutiefst, sie beschäftigte mich mehrere Wochen lang und gab mir immer wieder Anlass, darüber mit Sebastiano zu sprechen. Es folgten
La Vita Nova,
wiederum von Dante, ein autobiographisches Werk, und die
Satirischen Gedichte
von Francesco Berni.
    Als ich danach äußerte, ich würde gern zur Abwechslung einmal etwas Wissenschaftliches lesen, brachte er mir eine Abhandlung über die Drehungen der Himmelskreise mit. Sie hieß
De Revolutionibus Orbium Coelestium
und war von einem gewissen Nicolas Copernicus verfasst worden. Dass Sebastiano mir dieses Buch zu lesen gab, sprach einmal mehr für seine freizügige Denkart, denn nach offizieller Auffassung der katholischen Kirche kreiste die Sonne noch immer um die Erde. Wir sprachen über diese starre Haltung, verglichen sie mit der Meinung der evangelischen Kirche und kamen zu dem Schluss, dass beide Glaubenslehren sich zumindest in der Astronomie nicht unterschieden, denn auch Martin Luther hatte Copernicus kritisiert und sein heliozentrisches Weltbild für nichtig erklärt. Er hatte gewettert: »Der Narr will mir die Kunst Astronomia umkehren! Aber wie die Heilige Schrift zeigt, hieß Josua die Sonne stillstehen und nicht die Erde!«
    Danach vertiefte ich mich in den
Dialogo,
eine schriftstellerische Arbeit über die Vielfalt der italienischen Musik von Antonio Doni. Es folgten die
Libri Macaronices
von Merlin Cocai, in denen eine Ritterromanze geschildert wird, sodann Kanzonen und Sonetten einer Dichterin namens Vittoria Colonna und so weiter und so weiter.
    Ich las ohne Unterschied, was Sebastiano mir brachte, denn in der Tat war mein Geist ausgehungert und verlangte nach geistiger Speise. Natürlich überreichte er mir die Bücher nicht ganz uneigennützig, denn er war gern mit mir zusammen, und er hielt auch gern meine Hand, wenn ich sie ihm überließ. Er pflegte mich zu streicheln, wenn wir nebeneinander im Gras saßen, und, seltsam genug, manchmal seinen Kopf an meine Schulter zu lehnen. Dann schloss er die Augen und summte leise vor sich hin. Hin und wieder lachte er, einmal weinte er sogar, vor Glück und Zufriedenheit, wie er mir versicherte.
    Ich ließ diese absonderlichen

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