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Die Medica von Bologna / Roman

Die Medica von Bologna / Roman

Titel: Die Medica von Bologna / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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das Haus von Marcos Erbonkel zusammengestellt hatte. Ich stand davor und dachte, dass diese wenigen Dinge einstmals alles waren, was ich besaß, und dass ich, wenn ich heute umziehen würde, sehr viel mehr mitnehmen müsste.
    Und dann fühlte ich, dass ich das nicht wollte.
    Ich wunderte mich über mich selbst, aber das Gefühl war da und sagte mir: Bleib, Carla, deine Wurzeln sind hier. Wenn du hier bleibst, wird alles dein sein. Das Haus, die Einrichtung, die Werkstatt, alles, bis zum letzten Nagel im Gebälk.
    Da räumte ich auch die Umzugssachen wieder zurück.
    Dann setzte ich mich an den Tisch im Werkstattzimmer und trank einen Becher unverdünnten Wein. Ich spürte, wie der ungewohnte Trank mir in die Glieder fuhr und mich belebte. Nach einer Weile stand ich auf und begann, durch das ganze Haus zu wandern, und bei jedem Zimmer, in das ich blickte, sagte ich mir: Das wird dein sein.
    Ich ging in die Küche und wusch den Becher aus, und als ich damit fertig war, begann ich mit einem großen Frühjahrsputz. Ich kehrte das Unterste zuoberst, arbeitete mich von Zimmer zu Zimmer vor, wischte Staub, fegte Ecken, putzte Böden, und mit jedem Wischen, Fegen und Putzen wurde es mehr mein Haus.
    Am Abend, als Marco kam, war es mein Haus.
     
    »Wann ziehst du zu mir in mein Haus?«, fragte Marco, nachdem er mich umarmt und geküsst hatte.
    »Möchtest du etwas essen?«, fragte ich ausweichend. »Der Ofen hat gerade gute Glut, ich könnte dir eingelegtes Gemüse warm machen. Brot und eine Portion Gorgonzola wären auch noch da.«
    »Wie kannst du jetzt von Essen reden?« Er strahlte. »Jetzt, wo wir unsere gemeinsame Zukunft planen können, ohne auf deine Mutter Rücksicht nehmen zu müssen.«
    »So schlecht war sie nun auch wieder nicht.«
    »Aber das sage ich doch gar nicht.« Für einen Augenblick schien er verwirrt. »Wir wollen doch schon so lange heiraten, und jetzt können wir es endlich.«
    »Seit Monaten redest du davon, dass wir Anfang April, während der Studentenferien, heiraten, aber einen festen Tag hast du bis heute nicht bestimmt.«
    »Aber das können wir doch jetzt tun.«
    »Jetzt, wo meine Mutter tot ist?«
    »Aber Carla!« Er rang die Hände. »So meine ich es doch nicht, du weißt genau, wie ich es meine.«
    »Wie denn?«
    »Ich, ich …«
    »Jetzt kommt es auf ein paar Monate auch nicht mehr an.« Ich ging in die Küche und machte mich am Ofen zu schaffen. Ich brauchte Zeit, um meine Gedanken zu ordnen. Es war schon das zweite Mal an diesem Tag, dass ein Gefühl mich überrascht hatte. Und dieses zweite Gefühl sagte mir: Lass dir Zeit mit der Heirat. Ich rief über die Schulter: »Willst du nicht doch etwas essen, Marco?«
    »Diesmal kann ich wohl nicht nein sagen.«
    Ich machte die Speise warm und trug sie in einer Terrine zum Tisch. »Wir essen aus einer Schüssel, du weißt, wir sind nicht so vornehm wie die Kundinnen meiner Mutter, die für jedes einzelne Gericht goldene Teller bereithalten.«
    »Das macht mir nichts.« Marco führte bereits den Löffel zum Mund. »Hm, das schmeckt aber gut. Du musst mir versprechen, in meinem Haus auch so gut zu kochen.«
    »Ja«, sagte ich einsilbig, denn mich störte, dass er von seinem Haus sprach und dass er mich offenbar als seine zukünftige Köchin betrachtete. »Ich habe auch ein Haus.«
    »Ja, natürlich. Das ist ja das Gute. Du wirst es verkaufen, wir können das Geld gut brauchen.«
    »Ich will es nicht verkaufen.«
    »Was?« Marco, gerade im Begriff, den Löffel zum Mund zu führen, hielt abrupt in der Bewegung inne. »Aber Carla, was sollen wir denn mit zwei Häusern?«
    »Das weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass ich mein Haus behalte.«
    Er legte den Löffel beiseite. Sein Gesicht nahm den Ausdruck eines zürnenden Ehemanns an. »Hör mal, Carla, da hast du wohl nicht richtig nachgedacht? Du und ein eigenes Haus? Erstens brauchst du kein eigenes Haus, weil ich eins habe, und zweitens frage ich dich, wie du ›dein‹ Haus unterhalten willst? Ein Haus zu besitzen kostet Geld, und Geld hast du nicht.«
    Ich überlegte schnell. »Aber ich habe noch ein paar Kleider aus dem Bestand meiner Mutter, die könnte ich verkaufen, und außerdem bin ich noch immer Schneiderin. Das ist ein ehrenwerter Beruf, der Geld zum Leben abwirft.«
    »Carla!« Marco versuchte, meine Hand zu nehmen, aber ich entzog sie ihm. »Carla! Natürlich gibt es da noch ein paar Kleider deiner Mutter, Gott sei Dank, wie ich hinzufügen möchte, aber der Wert dieser Kleider reicht

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