Die Medica von Bologna / Roman
arbeiten, das müsst Ihr verstehen. Ich nehme an, Ihr habt Geld im Haus?«
»Nicht viel, Dottore.«
»Für meine Bemühungen bekomme ich« – er rechnete kurz – »viereinhalb Scudi
.«
Die Höhe der Summe riss mich aus meiner Teilnahmslosigkeit. »Vier … viereinhalb Scudi?«, stammelte ich. »Aber Ihr habt doch noch die Brosche, Dottore?«
»Die Brosche? Ach ja. Die habe ich. Aber ihr Wert wurde bei meiner Berechnung bereits berücksichtigt, es bleibt immer noch ein Restbetrag von viereinhalb Scudi.«
Ich war empört. Die Brosche war sicher viel mehr wert, und viereinhalb Scudi Romani stellten für mich ein kleines Vermögen dar. Aber was sollte ich machen? Weigern konnte ich mich nicht. »So viel habe ich nicht, ich habe höchstens zwei.«
»Dann gebt mir die zwei. Niemand soll sagen, ich hätte Euer Unglück ausgenutzt.«
Doktor Valerini nahm die Münzen und verabschiedete sich rasch.
Ich blieb wie betäubt zurück.
Immer wieder fragte ich mich, ob ich alles getan hatte, um das Leben meiner Mutter zu retten. Ich wusste es nicht. Und ich wusste ebenso wenig, ob Doktor Valerini alles Menschenmögliche unternommen hatte. Die Behandlung jedenfalls war sein Schaden nicht gewesen. Dass seine Therapie bei noch besserer Bezahlung vielleicht erfolgreicher verlaufen wäre, wollte ich mir lieber nicht ausmalen.
Später kam Signora Carducci. Sie war tränenüberströmt und nahm mich in die Arme. Danach hielt sie mir die Hände und betete mit mir vor dem Hausaltar.
Noch später kam Mamma Rosa, die mich nicht nur in die Arme nahm, sondern auch fast bis Mitternacht blieb und mit mir die Totenwache am Bett meiner Mutter hielt. Doch dann musste sie wieder nach Hause, denn ihre Kinder waren noch jung und brauchten sie.
Und gegen Mitternacht kam Marco.
Er stand in der Tür und machte ein betretenes Gesicht. Ich bemerkte ihn zunächst nicht, doch als ich ihn sah, sagte ich: »Du hast dich die ganzen Tage nicht sehen lassen, da brauchst du auch jetzt nicht zu kommen.«
»Es tut mir so leid«, sagte er leise.
»Du hast mich im Stich gelassen.«
Er löste sich aus dem Türrahmen, setzte sich zu mir aufs Totenbett und versuchte, meine Hand zu ergreifen. »Bitte, versteh doch, Carla. Ich konnte nicht kommen. Wenn ich gekommen wäre, hätte ich die Verantwortung für die Behandlung deiner Mutter übernehmen müssen, und das war nicht möglich.«
»Du hättest einfach nur da sein müssen.«
»… und die Verantwortung übernehmen. Aber glaub mir: Dafür bin ich noch nicht weit genug in meinem Studium.«
»Ich habe auch ohne Studium meine Mutter gepflegt.«
»Das ist etwas anderes. Du bist eine Naturbegabung.« Wieder versuchte er, meine Hand zu nehmen, und diesmal ließ ich sie ihm. »Mit dieser Hand kannst du mehr bewirken, als manch einer der gelehrten Herren im Ospedale della Morte. Ich weiß es, denn ich habe dich die Wunde deiner Mutter vernähen sehen.«
»Erinnere mich nicht daran. Ständig denke ich, ich hätte etwas falsch gemacht. Sag mir bitte ganz ehrlich: Habe ich etwas falsch gemacht?«
»Nein, du hast eine runde Nadel und einen festen Faden genommen, du hast gerade Wundränder hergestellt und eine saubere Naht gesetzt. Mehr hätte Giulio Cesare Aranzio, unser Meister-Chirurg, auch nicht tun können.«
Ganz traute ich dem, was Marco sagte, nicht, aber ich wollte es nur zu gern glauben, und deshalb fragte ich nicht mehr nach.
Während Marco meine Hand hielt, hingen wir beide unseren Gedanken nach. Schließlich wurde mir kalt, ich fröstelte.
»Soll ich die Nacht über bei dir bleiben?« Marco gab meine Hand frei und zog mich an sich. »Du brauchst jetzt Schutz und Geborgenheit.«
Ich wollte antworten: Ich habe die ganzen Tage Schutz und Geborgenheit gebraucht, und du hast dich kein einziges Mal sehen lassen, und am liebsten hätte ich hinzugefügt: Geh und komme niemals wieder. Aber ich sagte nichts. Ich hatte Angst, allein mit meiner toten Mutter zu sein. Und ich hatte Angst vor der öffentlichen Beisetzung. »Ich habe solche Angst vor der Beerdigung«, sagte ich.
Marco antwortete nicht, sondern begann mich zu küssen. Ich machte mich los. »Lass das. Ich sagte, ich habe Angst vor der Beerdigung, und dir fällt nichts anderes ein, als mich zu bedrängen.«
»Ich liebe dich eben.«
»Davon will ich nichts hören, jedenfalls nicht jetzt. Meine Mutter ist tot, und du tust so, als wäre nichts gewesen. Wie kannst du nur!«
Marco zog ein zerknirschtes Gesicht. »Du hast recht, du hast allen
Weitere Kostenlose Bücher