Die Medica von Bologna / Roman
ich.
»Komm, Carla, du kannst nicht ewig bei dir zu Hause herumhocken.«
»Doch, das kann ich.«
»Carla, Carla!« Er riss in gespielter Verzweiflung die Hände hoch. »Hast du etwa immer noch Angst, dich in der Öffentlichkeit zu zeigen? Das kann doch nicht so weitergehen. Nun komm!«
»Nein.« Ich muss zugeben, dass ich kurz davor war, mit ihm zu gehen, aber ich hatte mich über seine Vergesslichkeit geärgert, und deshalb blieb ich bei meiner Ablehnung.
Marco seufzte. »Dann müssen wir eben hungern.« Er setzte sich an den kleinen Tisch und schaute mich vorwurfsvoll an.
»Warte.« Ich ging in die Küche und holte die Weinkaraffe mit dem Lambrusco, die Amphore mit dem Olivenöl und ein halbes, schon etwas trockenes Brot und stellte die Dinge auf den Tisch. »Das ist alles, was ich habe.«
»Aber das ist doch wunderbar!« Marco gab sich begeistert. »Das reicht völlig. Brot mit Olivenöl und dazu ein Glas Wein!«
Ich nickte säuerlich. »Wenn dir das reicht.«
»Aber gewiss.« Ohne auf mich zu warten, begann Marco zu essen. Er träufelte Olivenöl auf das Brot und nahm einen großen Bissen. Ich setzte mich zu ihm und sah ihm dabei zu. Irgendwie war mir der Appetit vergangen. Es dauerte nicht lange, da war er fertig, spülte das letzte Stück Brot mit Wein hinunter und ergriff meine Hand. »Sag mal, Carla, magst du mich eigentlich noch?«
Die Frage überraschte mich. Ich hatte mir in letzter Zeit kaum noch Gedanken über meine Gefühle zu Marco gemacht. Dazu hatten wir uns zu selten gesehen. Doch nun erkannte ich, dass er mir fremd geworden war.
»Na, was ist? Du magst mich doch, oder? Bitte sag mir, dass du mich magst.«
»Ich mag dich so, wie ich dich immer gemocht habe.«
»Hurra!« Marco sprang auf und tanzte um den Tisch herum. »Weißt du was?«, rief er. »Ich hatte in letzter Zeit manchmal gedacht, mit uns würde es vielleicht nichts werden, weil du dauernd in diesem Klosterhospital steckst.«
Ich dachte, dass ich ihm das Gleiche hätte vorhalten können, weil auch er fast täglich im Archiginnasio war, aber ich sagte nichts.
»Wann heiraten wir?« Marco blieb atemlos stehen. »Ich kann morgen schon zu Pater Edoardo gehen und ihn bitten, das Aufgebot zu bestellen. »Du musst einfach nur ja sagen.«
Ich musterte ihn. Er hatte sich in den letzten Jahren auch äußerlich verändert. Sein Kinnbart war etwas dichter geworden, und seine Pusteln waren verschwunden. Ein Adonis aber war er noch immer nicht. »Ja«, sagte ich langsam.
»Sagtest du ja? Sagtest du wirklich ja? Oh, ich bin der glücklichste Mann auf dieser Welt!« Er begann wieder um den Tisch herumzutanzen, wobei er mich jedes Mal, wenn er hinter mir war, auf den Nacken küsste.
»Aber ich will nicht in San Rocco heiraten.«
Marco hielt abrupt inne. »Nicht in San Rocco? Ach, ich weiß, du magst die Kirche nicht! Aber wieso eigentlich? Ich sage dir, San Rocco ist eines der schönsten Gotteshäuser in Bologna. Was glaubst du wohl, warum jedes Jahr im August die Seidenweber in einer feierlichen Prozession dorthin ziehen, um ihrem Patron zu huldigen und Spenden und Geschenke zu überbringen? Weil San Rocco so hässlich ist?«
»Ich will nicht in San Rocco heiraten.«
»Schon gut, schon gut.« Marco hatte sich wieder gefangen. Er setzte sich. »Hauptsache, wir heiraten.« Er beugte sich über den Tisch und küsste mich auf den Mund. »Wenn du San Rocco nicht willst, wo willst du dann heiraten?«
»Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht«, sagte ich wahrheitsgemäß.
»Dann überlege jetzt. Wo wäre es dir recht?«
Ich dachte kurz nach. »Im Archiginnasio, in der Kapelle Santa Maria de’ Bulgari.«
»Oh.« Marco fiel der Unterkiefer herab. »Ich glaube nicht, dass das möglich ist. Soviel ich weiß, werden dort keine Ehen eingesegnet. Kannst du dir nicht einen anderen Ort ausdenken? Komm, denk dir eine andere Kirche aus, eine Basilika, einen Dom, eine Kathedrale, was du willst. Mir ist alles recht.«
»Das geht nicht so schnell«, sagte ich, »so etwas kann man nicht übers Knie brechen.« Und ich merkte, dass ich insgeheim aufatmete. Wie hatte ich zu Mutter Florienca, unserer Oberin, gesagt? »Ich fühle mich noch nicht bereit für die Ehe.« Das galt nach wie vor.
»Aber wir werden doch heiraten?« Marco setzte sich neben mich. Seine Hand glitt wie üblich über meine Hüfte.
»Wenn wir die richtige Kirche finden.«
»Nun gut.« Marco beschloss, wieder gute Laune zu haben. »Hauptsache, du magst mich. Alles andere
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