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Die Medica von Bologna / Roman

Die Medica von Bologna / Roman

Titel: Die Medica von Bologna / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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ungewöhnlich?«
    »Setzt Euch doch erst einmal.« Das Männchen schob mir einen Stuhl zu. »Das ist wieder einmal typisch für mich. Ich plappere und plappere und vergesse darüber meine Rolle als Gastgeber. Darf ich Euch ein Glas Wein anbieten? Es ist ein Tropfen aus dem Friaul, der hier übliche Lambrusco will mir nicht recht schmecken.«
    Ich wollte ablehnen, doch ich hatte mich schon gesetzt, und überdies mochte ich nicht unhöflich sein, also sagte ich: »Ich trinke selten Wein, Signore, bitte lasst es deshalb bei einem halben Glas bewenden.«
    »Euer Wunsch ist mir Befehl.« Das Männchen verschwand, und ich hatte Gelegenheit, mich im Raum umzusehen. Es war ein Zimmer wie viele andere, mittelgroß, grob gekalkt, mit feuchten Stellen in den Ecken. Keine Freske schmückte die Wände oder die Decke, nicht einmal ein Bild lockerte den tristen Eindruck auf.
    Doch das alles wurde mehr als wettgemacht durch die Dinge auf den Tischen. Es waren unzählige kleine Gegenstände des täglichen Lebens, der Kunst und der Kultur, die mir ins Auge sprangen, jeder für sich winzig klein und dennoch perfekt in seiner Gestaltung.
Corpus in perfectio natura
 – allmählich ahnte ich, was es mit dieser Aussage auf sich hatte.
    »Hier kommt der Wein.« Das Männchen nahte mit einem Kristallglas, in dem es glutrot schimmerte. »Es ist eine Udiner Traube, die weitaus mehr Eleganz aufweist als das, was an anderen Rebstöcken hängt.«
    »Danke, Signore.« Höflich nahm ich einen Schluck und lobte den Geschmack.
    »Vielleicht fragt Ihr Euch, warum ich Euch nicht beim Weingenuss Gesellschaft leiste, aber ich muss gestehen, dass ich niemals vor dem Abendgeläut von San Petronio trinke. Lasst es Euch dennoch munden.«
    »Vielen Dank.« Ich stellte das Weinglas auf dem Tisch vor mir ab und wollte nach der geheimnisvollen Ware des Männchens fragen, doch es kam mir zuvor: »Ich bin Euch noch eine Erklärung schuldig, meine Liebe, nämlich die, warum Ihr unter meinen Kunden eine Ausnahme seid. Es ist ganz einfach: Frauen mit Eurer Erscheinung setzen in den seltensten Fällen ihren Schritt über meine Schwelle. Erstens, weil ihnen mein Wohnsitz zu abgelegen ist, zweitens, weil sie nicht die lateinische Sprache beherrschen und deshalb mein Hausschild nicht verstehen. Wenn Ihr dennoch den Weg zu mir gefunden habt, muss es mit Euch eine besondere Bewandtnis haben.«
    »Verzeiht, aber ich glaube, da irrt Ihr.« Ich muss gestehen, dass mir das Männchen in jenem Augenblick ein wenig unheimlich vorkam, zu viel schien es zu wissen oder wissen zu wollen. Aber ich war nun einmal in seinen Laden eingedrungen und konnte nicht einfach wieder gehen. Ich beschloss, es mit der Wahrheit zu versuchen, und sagte: »Ich arbeite als Hilfsschwester bei den Nonnen von San Lorenzo, deshalb meine Lateinkenntnisse.«
    »Ach so, ach so.« Das Männchen strahlte. »Das erklärt manches. Nun, ich wollte Euch nicht zu nahetreten, Signorina … äh, wie war doch gleich Euer Name?«
    »Carla Maria Castagnolo.«
    »Darf ich Signorina Carla sagen?«
    »Natürlich, Signore, Carla ist mein Rufname.«
    »
Va bene.
Nun, ich denke, die Höflichkeit gebietet es, dass ich mich selbst vorstelle: Ich bin Alberto Dominelli, Bewunderer, Bewahrer und Sammler aller Dinge, die klein sind. Wisst Ihr, mit welchem Teil meine Leidenschaft begann? Nun, Ihr werdet es nie erraten, deshalb nehme ich die Antwort vorweg: Es war ein Teil von Gottes unergründlicher Natur – ein Einsiedlerkrebs. Ich fand ihn als Kind am Adriastrand westlich von Ravenna. Er war klein wie eine Ameise und hatte sich eine kaum größere Schnecke als Behausung auserkoren. Stundenlang beobachtete ich ihn, lernte seine bevorzugten Plätze kennen, studierte sein Verhalten. Nachdem mein Blick für Kleines dergestalt geschärft war, entdeckte ich am Strand weitere Einsiedlerkrebse, die ich alle beobachtete und mit winzigen Brotkrumen zu füttern versuchte. Sie wuchsen mir allesamt sehr ans Herz, weshalb ich sie gern mit ins Haus meiner Eltern genommen hätte, aber das wurde mir selbstverständlich verwehrt.« Das Männchen machte eine Geste der Entsagung und lächelte. »Seitdem beschränke ich mich auf tote Gegenstände, die aber so perfekt sein müssen, als habe die Natur sie selbst gemacht.«
    Ich hatte meinem Gegenüber mit wachsendem Staunen zugehört. »Und wo findet Ihr so etwas?«, fragte ich.
    »Oh, häufig finde ich es gar nicht, man bringt es mir, damit ich es verkaufe. Es hat sich in den vielen Jahren

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