Die Medica von Bologna / Roman
giftig.« Und wieder küsste er mich.
»Dann ist es gut«, sagte ich.
Graf Paolo Emilio Boschetti von Modena kam auch an diesem Tag zu früh und hätte uns um ein Haar nicht angetroffen, denn nach dem, was zwischen uns geschehen war, bedurfte es der ganzen Kunst Gaspares, mich neu zu schminken. Es gelang uns gerade noch, vor dem Adligen in das Behandlungszimmer zu schlüpfen und so zu tun, als hätten wir ihn schon erwartet.
»Ich hoffe, die Behandlung schlägt baldmöglichst an«, näselte er, nachdem er Gaspare begrüßt und mich mit einem kurzen Blick gestreift hatte.
»Das liegt in Gottes Hand, Graf, was ich dazutun kann, das soll geschehen. Geduldet Euch ein paar Augenblicke, dann stelle ich Euch einen wesentlichen Bestandteil Eurer Behandlung vor.« Gaspare klingelte mit dem Glöckchen, woraufhin Adelmo wie immer prompt erschien. Der Diener bekam leise ein paar Anweisungen, nickte und erschien kurz darauf wieder, in den Händen eine Zinnschüssel haltend. Das, was sich in der Schüssel befand, sah wenig einladend aus, es war rot, blutig und schlingenförmig.
»Was ist das?«, begehrte der Graf zu wissen.
»Das sind die Gedärme des Schafs. Sie sind von einem frisch geschlachteten Tier und deshalb noch warm. Ihr werdet ab jetzt täglich Euren gesamten Unterarm samt Ellbogen in diese Eingeweide legen, und zwar für eine Stunde. Ihr dürft vorher nichts gegessen haben, um die Wirkkraft des Gekröses nicht zu mindern. Nach einer Stunde soll der Arm für die Hälfte der vorherigen Zeit in ein heißes Bad gelegt werden, dessen Ingredienzen aus vielen Drogen bestehen. Danach soll er mit warmem Wein gewaschen und anschließend getrocknet werden. Was folgt, sind Armübungen, die ich Euch zeige und die Ihr fortan selbsttätig durchführen müsst. Abschließend soll der Arm mit einem
unguentum
eingerieben werden, das ich extra für die Regeneration Eurer Nerven komponiert habe.«
Der Graf sagte daraufhin nichts, aber sein Gesichtsausdruck verriet, dass er beeindruckt war. Doch schnell kehrte seine Blasiertheit zurück. »Gedärme des Schafs für meinen Arm?«, näselte er. »Seid Ihr sicher, damit die richtige Medikation gefunden zu haben?«
»Es ist immerhin das, was Cardano, Aldrovandi, Sacchi und andere Meisterärzte empfehlen, Graf. Wollen wir nun mit der Behandlung beginnen? Noch sind die Gedärme warm.«
Widerstrebend ließ der Graf es geschehen, dass ich ihm den Ärmel hochschob und seinen Arm in die rote Masse tauchte.
»Sehr schön«, sagte Gaspare. »Fasst Euch in Geduld, lieber Graf. Geduld, sage ich immer, ist schon die halbe Genesung. Und nun entschuldigt Schwester Carla und mich, wir schauen in einer Stunde wieder nach Euch.«
Ohne die Antwort seines hochnäsigen Patienten abzuwarten, nahm er mich beim Arm und führte mich hinaus. »Der Herr kann ruhig für eine Weile mit sich und seiner Krankheit allein sein.« Er grinste. »Das hat den Vorteil, dass auch wir allein sein können.« Er umschlang mich mit seinen kräftigen Armen und küsste mich.
»Aber … Gaspare«, sagte ich zögernd, denn sein Vorname wollte mir noch nicht recht über die Lippen, »ist es nicht unhöflich, den Grafen so lange allein zu lassen?«
»Das ist es«, bestätigte er fröhlich. »Lassen wir ihn ein bisschen in der eigenen Arroganz schmoren. Oh, ich sehe gerade, dass deine Schminke ein wenig der Nachbesserung bedarf. Wir sollten noch einmal in das Schlafzimmer meiner Mutter gehen.«
Obwohl mir der Vorschlag gefiel, wandte ich ein: »Aber wenn deine Mutter uns …«
»Du meinst, wenn sie uns beim Schminken erwischt? Keine Sorge, sie kommt nicht, denn ihr Zimmer ist unbewohnt. Sie zog 1564 aus, nachdem mein Vater gestorben war. Sie hielt es nicht aus, allein in einem Haus weiterzuleben, in dem sie so viele glückliche Jahre mit ihrem Mann verbracht hatte.«
»Aber ihr Zimmer …«
»Musste so bleiben, wie es war. Darauf bestand sie, als sie auszog. Manchmal besucht sie mich und überzeugt sich, ob alles noch an seinem Platz steht.«
»Dann könnte sie heute also auch kommen. Sollten wir nicht vorsichtiger sein?«
»Nein, ganz entschieden nicht!« Er lachte. »Mutter ist eine vielbeschäftigte Frau. Sie handelt mit Grundstücken, und das sehr erfolgreich. Heute weilt sie in einem Städtchen namens Bazzano, um dort Land zu kaufen. Sie ist bestimmt nicht vor heute Abend wieder in Bologna.«
Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und küsste ihn. »Das ist eine gute Nachricht«, flüsterte ich.
Den
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