Die Medica von Bologna / Roman
nächsten Monat, in dem der Graf von Modena täglich erschien, verbinde ich mit den angenehmsten Erinnerungen. Mein Leben spielte sich ab zwischen dem Hospital der Nonnen, dem Behandlungszimmer unter der Dachterrasse und dem Schlafzimmer von Signora Tagliacozzi.
Ich lernte, dass Gaspare nicht nur ein guter Arzt, sondern auch ein aufmerksamer und nimmermüder Liebhaber war. Ich bewunderte und vergötterte ihn, denn bald nach den ersten Behandlungen des Grafen ließ er mir völlig freie Hand, was mich mit großem Stolz erfüllte. Ich sorgte dafür, dass täglich frisches Schafsgedärm herbeigeschafft wurde, achtete darauf, dass der Graf seinen Arm tief genug hineintauchte, und badete ihn anschließend in einem heißen Sud, den ich auf das Genaueste nach Gaspares Wünschen zubereitet hatte. In dem Rezept hieß es:
Nimm dreißig Pfund alte Lauge, sechs Handvoll Malvenwurzeln und sechs Handvoll Wurzeln wilder Gurken, zusammen mit der Hälfte eines gespaltenen Schafschädels. Koche diese Mischung zu einem Drittel ein, sodann gebe jeweils zwei Handvoll der purpurn blühenden Betonie, frischer Mauerminze, milder Kamille und süßen Klees hinzu, bringe das Ganze wieder zum Kochen und benutze es, während es noch heiß ist.
Wie vorgeschrieben, wusch ich des Grafen Arm danach in warmem Wein und trocknete ihn mit weißen Tüchern ab. Es folgte eine Reihe von Übungen, die der Graf widerstrebend unter meiner Anleitung durchführte, und das Verreiben des salbenartigen
unguentums
. Sein blasiertes und häufig sauertöpfisches Gehabe, das er dabei an den Tag legte, prallte an mir ab, denn ich dachte nur an Gaspare.
Was ich mit ihm erlebte, war so überwältigend, so unerhört, so sündhaft schön, wie ich es mir niemals zuvor ausgemalt hatte. Das Glücksgefühl beherrschte mich und füllte meinen gesamten Körper mit Heiterkeit aus, oder, wie Gaspare es ausgedrückt hätte, es sorgte dafür, dass meine Säfte im vollkommenen Einklang standen. Am liebsten hätte ich ein großes Schild vor mir hergetragen, mit der Aufschrift: Ich bin glücklich! Aber natürlich tat ich das nicht. Stattdessen bemühte ich mich, es dem Grafen gegenüber nicht an der nötigen Höflichkeit mangeln zu lassen, und setzte überdies alles daran, meinen Dienst bei den frommen Schwestern nicht zu vernachlässigen.
Gaspare, der in dieser Zeit besonders viel unterwegs war, lobte mich in den höchsten Tönen und stellte mich einmal sogar seiner Mutter vor. Sie hieß Isabeta Quaiarina und war eine Frau in den Fünfzigern, schlank und von strenger Schönheit. Ihre Augen blickten kurz auf mein mit Bleiweiß geschminktes Gesicht und wanderten dann gelangweilt weiter. Doch berührte mich diese Nichtachtung wenig, denn ich stellte mir vor, wie es wäre, wenn sie wüsste, dass ich für ihren Sohn nicht nur die kleine Hospitalschwester Carla war und dass ich mich in ihrem Schlafzimmer recht gut auskannte.
Einmal, als wir angenehm erschöpft in ihrem großen Pfostenbett lagen, sagte ich zu Gaspare: »Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Drachenblut und Schafsblut?«
Er stutzte. »Wie kommst du denn darauf?«
»Ich musste gerade an den Grafen denken und an seine Abneigung gegen Schafsgedärm.«
»Du solltest an ganz andere Dinge denken.« Er küsste mich in die Halsbeuge.
»Was ist der Unterschied? Ich meine, es muss doch einen Grund haben, warum das Geschlinge des Schafs das Kammerwasser in den Sehnen und Muskeln zurückdrängt, Drachenblut dagegen als getrocknetes Pulver in Heilsalben Verwendung findet. Es muss da doch Unterschiede geben, und wenn ja, welche sind es?«
»Ach, mein kleines Bleiweißmädchen.« Er küsste mich abermals. »Wenn du mich so fragst, komme ich mir vor wie in der
Scuola d’Aranzio.
«
»Tun wir so, als wären wir dort.«
»Nun gut, ich kann dir ohnehin nichts abschlagen. Wisse also: Die Unterschiede liegen in der Wirkweise, und die Kenntnis um die Wirkweise ergibt sich aus der Erfahrung, die sich wiederum auf Beobachtungen stützt.«
»Und warum taugt das Gedärm eines jeden beliebigen jungen Schafs zur Behandlung von Kammerwasser, wenn dagegen das Drachenblut für Heilsalben ein ganz bestimmtes sein muss?«
»Die Antwort ist dieselbe: Erfahrung.« Gaspare bemerkte meinen zweifelnden Gesichtsausdruck und erklärte weiter: »Beim Drachenblut hat sich die Erkenntnis erhärtet, dass
Drago di Santo Janni,
eine Eidechsenart, die auf der Insel Santo Janni im Tyrrhenischen Meer lebt, das wirksamste Drachenblut liefert.«
»Aber
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