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Die Medica von Bologna / Roman

Die Medica von Bologna / Roman

Titel: Die Medica von Bologna / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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stets kritisch gegenübergestanden, da er zeit seines Lebens die
Ars reparatoria
als Eingriff in Gottes Werk verstand und stattdessen die Kunst des Schminkens anzuwenden empfahl. Das vorliegende Buch sei im Großen und Ganzen eine Rezeptsammlung mit praktischem Nutzen, die auch kosmetische Passagen enthielte – somit auch Hinweise, wie ich meine
voglia di vino
überdecken könne.
    An der Stelle, wo die Geheimnisse der Schminkkunst erläutert wurden, hatte er ein Lesezeichen eingefügt.
    Aber ich wollte nichts lesen, weder das Buch noch irgendwelche Stellen darin, denn ich war viel zu verärgert. Ich klappte es zu und warf es in eine Ecke.
    Und ich nahm mir vor, am nächsten Tag nicht zu des Doktors Haus zu gehen.
     
    Natürlich ging ich trotzdem hin. Aber nur, wie ich mir immer wieder selbst versicherte, um dem Doktor gehörig meine Meinung zu sagen. Ich erschien fast zwei Stunden vor dem verabredeten Termin, um ihn zur Rede zu stellen und anschließend sofort wieder zu gehen.
    Nachdem Adelmo mich eingelassen und in das Behandlungszimmer unter der Dachterrasse geführt hatte, verlor ich weiter keine Zeit: »Hier habt Ihr Euer Buch zurück, ich brauche es nicht!«, rief ich und schleuderte ihm die
Secreti diversi
entgegen.
    Er reagierte im letzten Moment und fing das Buch auf. »Nanu, warum so stürmisch, Carla?«
    »Wie konntet Ihr es wagen, mir so ein Schandwerk anzubieten!«
    »Schandwerk? Ich hatte die beste Absicht …«
    »Ja, Schandwerk! Oder wie würdet Ihr ein Geschreibsel nennen, das den Frauen allen Ernstes zumutet, Blondierungsmittel zu verwenden, von dem ihnen die Haare ausgehen!«
    »Aber die Mittel braucht man doch nicht zu nehmen …«
    »Aber die Schminkutensilien dieses Herrn Falloppio soll ich mir ins Gesicht schmieren, damit mir die Haut in Fetzen herabfällt, oder wie stellt Ihr Euch das vor!«
    »Bitte, Carla.«
    »Mag sein, dass Ihr es gut gemeint habt, aber es ist eine Zumutung, mir nur wegen dieses Grafen Schminke ins Gesicht schmieren zu müssen.«
    »Carla.« Der Doktor lächelte leicht. »Wir haben uns schon mehrmals geeinigt, erinnert Ihr Euch? Warum soll es uns diesmal nicht auch gelingen? Ich wollte Euch nicht zu nahetreten, wirklich nicht. Ich hielt die Idee, Eure
voglia di vino
abzudecken, für gut, nicht nur wegen des Grafen, sondern generell. Oder wollt Ihr Euer gesamtes weiteres Leben hinter einem Schleier verbringen?«
    »Jedenfalls schmiere ich mir nichts von diesem Falloppio ins Gesicht«, sagte ich halbwegs besänftigt.
    »Dann werde ich nachher auf Eure Hilfe verzichten müssen.«
    Ich schwieg.
    »Seht Ihr, das wollt Ihr nun auch wieder nicht.«
    »Ich … ich …«
    »Ja, bitte?«
    Ich kämpfte mit mir, ob ich es sagen sollte, denn ich hatte – außer mit Marco – noch nie mit jemandem darüber gesprochen, doch schließlich platzte ich heraus: »Selbst wenn ich es wollte, könnte ich mich nicht schminken, weil es … weil es mir unmöglich ist, in einen Spiegel zu sehen.«
    Er sah mich an und nickte langsam. »Ich verstehe. Ich verstehe Euch sehr gut, Carla, vor allem als Arzt. Ich weiß, dass es Widerstände gibt, die unser Geist nicht überwinden kann. Es sind krankhafte Angstzustände, die nicht nur Ihr, sondern auch andere Menschen täglich erdulden. Manche haben eine unüberwindliche Angst vor dem Meer, andere vor dem Geruch von Knoblauch, wieder andere vor Spinnen oder sonstigem Getier. Allen diesen Menschen ist gemein, dass sie nichts für ihr Verhalten können.«
    »Ich will nicht krank sein!«
    Er trat auf mich zu und nahm meine Hand. »Wir sind alle mehr oder weniger krank, Carla. Der eine ist krankhaft eifersüchtig auf seinen Nachbarn, der andere hat ständig Angst, seine Haustür nicht abgeschlossen zu haben, der Dritte erzählt immer dasselbe, ohne sich dessen bewusst zu sein. Sie alle haben ihr Schicksal, ihr Leiden, ihr Gebrechen – und in fast allen Fällen können wir Ärzte nicht helfen.«
    »Ich kann und will mir keine Schminke ins Gesicht schmieren.«
    »Schon gut.« Der Druck seiner Hand wurde stärker. Es war eine warme, kräftige Hand, und ich fühlte mich geborgen. »Kommt mit.«
    Er führte mich die Stockwerke hinunter bis in den Bereich des
piano nobile
und hieß mich vor einer Zimmertür warten. Ich stand da und fragte mich, was er mit mir vorhatte, doch schon trat er wieder heraus, lächelte und bat mich hinein.
    Das Zimmer wurde dominiert von einem großen Pfostenbett mit üppig gewebtem Baldachin und einem Spiegel. Der Spiegel war

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