Die meerblauen Schuhe meines Onkels Cash Daddy
konnte, als illegaler Einwanderer in ihrem Land bei McDonald’s Burger zu braten oder in einem Leichenschauhaus Tote zu waschen.
Trotzdem quetschte mich die muffige Brünette hinter der Panzerglasscheibe aggressiv aus, so als ob es meine Schuld war, dass sie sich einen miesen Job ausgesucht hatte.
»Was wollen Sie in den Vereinigten Staaten tun?«
»Zeigen Sie mir Ihre steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung.«
»Falten Sie sie auf !«
»Wie lange wollen Sie bleiben?«
»Warum nehmen Sie Ihre Frau und Ihre Kinder nicht mit?«
»Unterbrechen Sie mich nicht, wenn ich rede!«
»Haben Sie jemals mit terroristischen Aktivitäten zu tun gehabt?«
»Woher weiß ich, dass Sie vorhaben, nach Nigeria zurückzukehren?«
Nach einer Dreiviertelstunde war das Verhör beendet. Ich wurde angewiesen, mich am nächsten Tag um 14 Uhr wieder in der Botschaft einzufinden und meinen gestempelten Pass abzuholen. Hurra! Meine Fahrt von Aba nach Lagos war nicht vergebens gewesen.
»Vielen Dank«, entgegnete ich. Es war immer das Beste, Böses mit Gutem zu vergelten. Außerdem konnte Kolumbus es auch nicht viel leichter gehabt haben. Welches Recht hatten wir also, uns zu beklagen?
»Glückwunsch, Bruder«, murmelten mehrere angstschlotternde Visumbittsteller, als ich vorbeiging.
Ich verließ das Gebäude euphorisch. Ein amerikanischer Neurowissenschaftler war gern bereit, in einen Auftrag des Bildungsministeriums zu investieren, und dieser neue Mugu hörte sich wie der nächste langfristige Dollarspender an. Der Ablauf näherte sich einem Stadium, wo ich ein Treffen mit ihm in Amherst, Massachusetts, anberaumen musste.
Auf dem Weg zum Parkplatz am Ende der Straße kam ich an einigen anderen Botschaften vorbei. Selbst vor den Toren der bulgarischen Botschaft standen lange Schlangen. Die USA und England – und vielleicht Irland – waren ja verständlich, aber warum um alles in der Welt sollte jemand aus Nigeria nach Bulgarien fliehen wollen? Als ich am Auto ankam, hörte ich, wie jemand meinen Namen rief.
»Kings! Kings!«
Ich drehte mich um. In der Sekunde vergaß ich alle finsteren Pläne, die ich in blutrünstigen Tagträumen geschmiedet hatte. Alle diabolischen Strategien, die ich in mitternächtlichen Momenten der Qual und Wut ausgeheckt hatte, schwanden mir aus dem Sinn. Ich strahlte wie ein kleiner verirrter Junge, der soeben von seiner Mutter wiedergefunden wurde.
Schreiend lief ich auf den süßen Klang meines Namens zu.
»Ola! Ola!«
Wir stürzten einander in die Arme. Wir herzten uns wie alte Freunde. Ich musterte sie von Kopf bis Fuß.
»Wow! Ola, du siehst …«
Ich stockte. Sie war so dick wie eine Milchkuh. In ihre überquellenden Brüste waren hellgrüne Dehnungsstreifen tätowiert.
»Du siehst wunderbar aus«, sagte ich, und das war die Wahrheit.
»Ich habe zwei Kinder bekommen, daran liegt’s«, sagte sie mit einem zufriedenen Lächeln. »Und dir, wie geht’s dir?«
»Gut.« Ich merkte, dass ich immer noch dümmlich grinste. »Ehrlich, dass ich dich treffen würde, damit hätte ich heute als Allerletztes gerechnet. Ich habe gerade in der Botschaft ein amerikanisches Visum beantragt.«
Sie nickte.
»Ich habe unsere britischen Visa verlängert – für mich und meine Kinder.«
»Wow. Ola, wie schön, dich zu sehen. Wollen wir uns nicht irgendwo hinsetzen und uns ein bisschen unterhalten? Ich hoffe, du bist nicht in Eile.«
Sie willigte ein. Wir drehten eine Runde, um einen Platz zum Hinsetzen zu finden. In dem Komplex gab es eine Reihe von Läden, Business-Center und Speiselokalen, aber die meisten Restaurants waren schmuddelig – offensichtlich waren sie nur für wartende Chauffeure gedacht. Plötzlich fiel mir ein, dass sich die Zeiten geändert hatten. Ich und Ola mussten uns das gar nicht antun.
»Wollen wir nicht irgendwo in die Stadt gehen, wo es nett ist?«, fragte ich. »Wir könnten ins Double Four oder ins Chocolate Royal gehen. Oder wo du hinwillst.«
Es war ein kühnes Angebot. Im Gegensatz zu früher konnte ich es mir heute leisten.
»Nein, irgendwo hier ist mir recht«, sagte sie und lächelte.
»Ich habe sowieso keinen Hunger.«
Wir suchten uns das am wenigsten schmuddelige Restaurant aus. Es roch darin nach einer Mischung aus frischem Fisch und Johannisbrot. Große und kleine Fliegen summten herum und ließen sich mit frappierender Dreistigkeit und Selbstherrlichkeit überall nieder. Eine verschwitzte, matronenhafte Kellnerin, die aussah, als würde sie sämtliche Fliegen
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