Die meerblauen Schuhe meines Onkels Cash Daddy
Sein Englisch ist noch besser als deins.«
Wie würde seine derzeitige Frau darauf reagieren, dass ihr Mann sich eine zweite nahm, die seinem Wahlkampf das Gesicht gab? Ich wagte es mir kaum vorzustellen.
»Aber Kings, manchmal muss ich mich über dich wundern.«
Er schüttelte die Hände der Pickelausdrückerin von seinem Kopf ab und sah mich an.
»Weißt du, es gibt jede Menge Arten, eine Ratte zu töten. Du musst nur erst mal all die Bücher vergessen, die du in der Schule gelesen hast, und lernen, klüger zu denken. Jemand, der nicht tanzen kann, sollte auf die schauen, die es können, und ihre Schritte nachmachen. Sieh dir zum Beispiel mich an. Du weißt, dass ich meine Autosalons und meine Tankstellen habe?«
Ich nickte.
»Du weißt, dass ich meine Hotels und meine Mietobjekte habe?«
Ich nickte.
»Das meine ich mit Klugheit. Auf die Weise kann ich, wenn ich gefragt werde, immer darauf zeigen und sagen: Das mache ich, und damit verdiene ich mein Geld. Verstehst du mich?«
Ich nickte.
»Du musst nach Möglichkeiten suchen, das Geld zu investieren, das sich auf deinem Konto stapelt. Du hast jede Menge Geschäftszweige zur Auswahl. Den Telekommunikationssektor zum Beispiel. Mit dieser neuen GSM-Technik werden sich bald alle ein Handy leisten können. Was hindert dich daran, dabei mitzumischen? Oder das Internet. Nach allem, was ich höre, werden bald nicht mal mehr die Armen ohne Internet auskommen. Was hindert dich daran, einen Haufen Geräte zu importieren und ein eigenes Business-Center zu eröffnen?«
Er wartete auf meine Antwort.
»Nichts.«
»Siehst du? Kings, nimm dein Hirn in Betrieb. Wenn die Kuh ihren Schwanz schön macht, kann sie damit Fliegen jagen; wenn sie ihr Horn schön macht, kann man daraus Wein trinken. Lerne, dein Geld für dich arbeiten zu lassen.« Wie üblich hatte alles, was Cash Daddy sagte, Hand und Fuß. Das Beste war erst mal, Azuka zu vergessen und mit meinem Leben weiterzumachen.
43
Der Dokumentarfilm trug den Titel Chief Boniface Mbamalu – der Politiker, der Mensch . Die vielen Jahre auf der Bühne, in denen er Botschafter und Industriemagnate und oberste Regierungsbeamte gespielt hatte, zahlten sich eindeutig aus. Cash Daddy saß ruhig da. In einem knielangen Isi-Agu-Kostüm mit roter Mütze. Mit leicht gespreizten Beinen und die Hände auf dem Schoß verschränkt, blickte mein Onkel den Zuschauern offen in die Augen und wiederholte seine bereits gemachten Versprechen. Er habe Strategien entwickelt, um ausländische Investoren anzulocken und damit die Verbesserung der Infrastruktur zu finanzieren. Er sei entschlossen, die Korruption in Abia auszumerzen, und zwar von Grund auf. Er wisse, dass er Feinde habe, die nicht wollten, dass er zum Gouverneur gewählt werde, weil sie die von ihm geplanten Reformen fürchteten, aber er lasse sich von ihnen nicht abschrecken. Ihm gehe es um die Menschen in Abia. Er sei willens, unseretwegen sein Leben aufs Spiel zu setzen.
Die Filmemacher hatten auch seine Mutter interviewt sowie Leute aus der Gegend seiner Herkunft und Leute, die von seiner Wohltätigkeit profitiert hatten. Mit Bestürzung vernahm ich, dass mein Onkel in den letzten fünf Jahren sämtliche Jurastudenten aus dem Regierungsbezirk Isiukwuato, die an einer nigerianischen Universität studierten, mit Stipendien unterstützt hatte. Er hatte doch mit fast allen seinen Wohltätigkeitsprojekten vor mir geprahlt. Warum hatte er dieses nie erwähnt?
»Warum nur die Jurastudenten?«, fragte Eugene.
»Weil wir die wahren Gelehrten sind«, erwiderte Charity.
»Ach, halt doch den Mund«, sagte Eugene. »Du trägst die Nase so hoch mit deiner Juristerei. Was sollen wir Ärzte da sagen?«
Es war eine der seltenen Gelegenheiten, bei der alle meine Geschwister gleichzeitig bei mir zu Hause Ferien machten. Godfrey lebte schon seit über einem Jahr fest bei mir; Eugene und Charity waren vor ein paar Tagen aus Umuahia gekommen. Die Hochschulen des Landes hatten einhellig beschlossen, dass es ratsam sei, bis zu den Wahlen ihre Tore zu schließen und sie erst danach wieder zu öffnen. Keine von ihnen legte Wert darauf, Unruhen niederzuschlagen, die aus etwaigen Turbulenzen am Wahltag entstanden.
Die Tochter der Nichte meiner Mutter kam aus der Küche.
»Brother Kingsley, das Essen ist fertig.«
Ich überließ meine Geschwister ihrem Hickhack und begab mich ins Esszimmer. Sie hatten bereits gegessen. Als mir aus der exotischen Porzellanschale der Geruch der dickflüssigen
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