Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die meerblauen Schuhe meines Onkels Cash Daddy

Die meerblauen Schuhe meines Onkels Cash Daddy

Titel: Die meerblauen Schuhe meines Onkels Cash Daddy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adaobi Tricia Nwaubani
Vom Netzwerk:
drei Schüsseln nichts mehr enthielten als widerspenstige Knochen und Fingerabdrücke, hob mein Onkel die Packung Just Juice hoch und schüttete sich den Saft direkt in den Mund, nur davon kurz unterbrochen, dass er ab und zu den Mund weit aufriss und mit einem Ton rülpste, der sich anhörte wie der Brunftschrei eines Frosches. Ich rechnete halb damit, dass er auch noch die leere Packung hinunterschlang. Stattdessen warf er sie aufs Tablett. Dann schrie er nach Protocol Officer, der herbeikam und Geld abzählte, welches er diesmal dem Kleiderschrank entnahm. Dankend nahm ich die Nairascheine entgegen und ging.
    Am nächsten Tag wurde mein Vater in das Abia State Teaching Hospital in Aba verlegt. Eine Woche später wachte er auf.

15

    Kaum zu glauben, dass das Erwachen eines Menschen aus dem Schlaf in so vielen Herzen die Sonne aufgehen und die Sterne strahlen lassen konnte. Es freute mich vor allem für meine Mutter, deren tage- und nächtelanges, ununterbrochenes Wachen sich ausgezahlt hatte. Sie war dabei, als es geschah.
    Entgegen allem, was Seifenopern uns weismachen wollen, ist jemand, der aus dem Koma erwacht, anfangs desorientiert und verwirrt. Deshalb konnte meine Mutter nicht genau sagen, wie lange mein Vater schon die Augen aufgehabt hatte.
    »Es muss vormittags gegen elf gewesen sein. Als ich nach einem kurzen Nickerchen den Kopf hob, sah ich ihn an die Decke starren«, erzählte sie.
    Wie jemand, der träumt, ohne zu erwarten, dass sein Traum Wirklichkeit wird, hatte sie das, was sie da sah, zunächst als das Wunschdenken einer verzweifelten Frau abgetan, die viele Nächte im Krankenhauszimmer ihres Mannes auf einer Raffiamatte am Boden geschlafen hatte.
    »Auf einmal wanderten seine Augen zur Seite und sahen mich an«, fuhr sie fort.
    Dann machte er den Mund auf und sagte etwas auf Igbo.
    »Ha abiala?«
    Zuerst reagierte meine Mutter besorgt. Igbo hatte sie ihren Mann immer nur mit den Dorfbewohnern sprechen hören.
    Er sprach es nicht mit ihr, er sprach es nicht mit uns, er sprach es niemals bei uns zu Hause. Selbst den Haushaltshilfen aus dem Dorf war die Volkssprache verboten. Nach einer Weile jedoch sagte sie sich, dass es einerlei war, welche Sprache er sprach. Tatsache war, ihr Mann war wach und redete.
    »Ich fing an, herumzuspringen und nach den Schwestern zu rufen«, erzählte sie lachend. »Ehrlich, ihr hättet mich sehen sollen. Ihr hättet gedacht, ich wäre verrückt geworden.« Aber sie scheute sich, ihn anzufassen. Als die Schwestern nachschauen kamen, strich sie um das Bett und wartete ängstlich, die Fäuste an die Brust gepresst. Schließlich bemerkte eine der Schwestern ihre Scheu und versicherte ihr, dass ihre Berührung ihn nicht wieder in die Umnachtung befördern würde. Darauf setzte sich meine Mutter neben ihn aufs Bett und streichelte ihm die Hand, bis ich kam. Noch den ganzen Tag starrte mein Vater vor sich hin, als sähe er alles zum ersten Mal. Er starrte die Decke an, die Schwestern, mich, seine Frau. Außer ein oder zwei belanglosen Sätzen auf Igbo sagte er nichts und reagierte auch nicht, wenn jemand ihn ansprach. Auch atmete er nicht viel anders als vorher mit geschlossenen Augen. Der Arzt bestätigte, dass seine linke Seite leicht gelähmt war und dass es eine Weile dauern konnte, bis er die Fähigkeit, sich mitzuteilen, wiedergewann. Er erläuterte auch, dass es normal war, wenn frisch aus dem Koma erwachte Patienten sich einer verdrängten Sprache bedienten.
    »Das Wichtigste ist«, sagte der Arzt, »dass ein bedeutender Fortschritt zu verzeichnen ist.«
    Jeder Tag brachte neue Entwicklungen. Der Katheter wurde entfernt. Er konnte auf die Toilette gehen, wenn er sich auf meine Mutter stützte und langsam einen Fuß vor den anderen setzte. Er konnte feste Nahrung zu sich nehmen, die meine Mutter ihm mit einem Plastiklöffelchen in den Mund schob, als ob er ein Baby wäre. Sie beklagte sich nie. Nicht einmal, als er ihr unerwünschtes Essen aufs Kleid spuckte.
    Immer und immer wieder beteuerte meine Mutter, dass sie alles im Leben meinem Vater zu verdanken hatte. Bis sie ihn kennenlernte, hatte Tradition ihr in der Familie einen Platz als unbedeutendes Mitglied zugewiesen. Doch als dieser hochangesehene Junggeselle um ihre Hand anhielt, stieg über Nacht ihr Rang. Ihre älteren Brüder holten sogar ihre Meinung ein, als es galt, die Beerdigung ihres Vaters zu organisieren. Trotz der eigenen Härten, die sie durchgemacht hatten, hatte die Verbindung mit meinem Vater

Weitere Kostenlose Bücher