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Die meerblauen Schuhe meines Onkels Cash Daddy

Die meerblauen Schuhe meines Onkels Cash Daddy

Titel: Die meerblauen Schuhe meines Onkels Cash Daddy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adaobi Tricia Nwaubani
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ließ ich den Blick über meinen Körper wandern. Was mochte es diesmal sein?
    »Kingsley, ich rede mit dir! Was ist das für ein Ding, das du da anhast?«
    Mein Hirn war so leer wie eine ausgetrunkene Flasche.
    »Kingsley.«
    »Ja, Onkel?«, flüsterte ich.
    »Bist du sicher, dass es kein Zimmermann war, der dein Hemd gebaut hat? Du solltest dich besser in Acht nehmen.« Er hob den Zeigefinger und drohte mir damit. »Du solltest dich sehr, sehr gut in Acht nehmen. Sonst gehst du noch eines Tages auf der Straße spazieren, und auf einmal nimmt dich die Polizei wegen der Sachen fest, die du anhast. Nur die Fliege, die keinen hat, der ihr Rat gibt, sitzt am Ende mit der Leiche im Sarg. Sag ja nicht, ich hätte dich nicht gewarnt.«
    Der dicke Mann erschien mit einem Essenstablett, das er auf einen der Hocker neben dem Bett stellte. Er stellte den Hocker so, dass Cash Daddy von seinem Platz aus gut herankam.
    »Willst du etwas essen?«, fragte Cash Daddy. Er wartete meine Antwort nicht ab. »Koch, bring diesem Mann hier Reis, Huhn, Ziege, Rindfleisch … Bring ihm einfach alles, was du im Topf hast.« Er wandte sich mir zu. »Ich will, dass du gut isst. Du bist zu dünn.«
    Ich verzichtete darauf, ihm zu sagen, dass er in der Beziehung nichts für mich tun konnte: Ich war dazu verurteilt, ewig dünn zu bleiben.
    Cash Daddy machte sich über sein Essen her.
    »Geht«, sagte er zu den wartenden Männern.
    Seine Reisschüssel, groß wie ein Waschbecken, war randvoll. Zum Reis gab es eine Schüssel Tomatenragout, eine gesonderte Schüssel mit diversen Fleischsorten und einen Literpack Just Juice . Er hielt den Löffel wie eine Schaufel und stieß jedes Mal geräuschvoll mit dem Stahl an die Zähne, wenn er sich Essen in den Mund schob. Während er kaute, konnte ich ihm in den Mund schauen und haarklein verfolgen, wie die festen Reiskörner zermalmt wurden. Mit der freien Hand schob er sich die Fleischstücke tief in den Rachen und zerfetzte sie mit den Backenzähnen. Dann spuckte er die nicht zu zerkleinernden Knochen lautstark und mit Nachdruck direkt auf das Tablett, wie um die letzten Zweifel zu beseitigen, dass er auch nur die geringste Erziehung genossen hatte.
    »Wie geht’s deinem Vater?«, erkundigte er sich nach einem besonders lauten Rülpser.
    In wenigen Sätzen teilte ich ihm mit, was der Arzt mir gesagt hatte und was mich zu diesem Besuch veranlasste.
    Während ich erzählte, richtete mein Onkel weiterhin seine volle Aufmerksamkeit auf die Nahrungsaufnahme, ohne mich anzusehen. Ich fragte mich irgendwann, ob er mir überhaupt zuhörte.
    Wie sich herausstellte, hatte er mir zugehört, denn als ich fertig erzählt hatte, legte er mir lang und breit dar, warum nach seiner sicheren Überzeugung die Schwestern ihre Patienten vorsätzlich länger als nötig im Koma hielten, damit es so aussah, als wären sie mit Feuereifer bei der Arbeit. Während er schwadronierte, fiel mein Blick auf das Arsenal von Schuhen am anderen Ende des Zimmers. Ich schaute nur fünf Sekunden gebannt darauf. Doch er bekam es mit.
    »Was guckst du so?«, fragte er.
    Ich erschrak. Hatte er gemerkt, dass ich ihm gar nicht mehr richtig zuhörte? Wie sollte ich aus dieser neuen Bredouille herauskommen?
    »Guckst du dir meine Schuhe an?«
    Ich war so verunsichert wie eine Kuh auf dem Eis. Ich gab keine Antwort.
    »Das ist noch gar nichts.« Er lachte. »Wenn du ins Nebenzimmer gehst, findest du darin ausschließlich Schuhe, Schuhe und Schuhe. Und kein einziges Paar hat weniger als 1000 Dollar gekostet.«
    Ich starrte ihn weiter bloß an.
    »Geh schon. Geh hin und sieh es dir an. Ich weiß, du hast Hunger, aber wenn du sie dir angesehen hast, kommst du zurück und isst deinen Reis auf.«
    Ich stellte das Tablett mit meinem halb verzehrten Essen ab und ging. Mein Onkel hatte die Wahrheit gesagt. Der ganze Raum war von oben bis unten und von Wand zu Wand von Regalen eingenommen. Auf jedem Regal standen Schuhe unterschiedlicher Farbe und Machart. Es gab grüne Schuhe und gelbe Schuhe, rote Schuhe und meerblaue Schuhe. Jeder einzelne Angehörige der Klasse Reptilia musste in dieser Sammlung vertreten sein. Ich beendete die Inspektion und kehrte ins Schlafzimmer zurück.
    »Hast du dir meine Schuhe angesehen?«
    »Ja, habe ich.« Und nach einer Pause: »Danke.«
    Er nickte jovial und ließ den nächsten ellenlangen Monolog über sein Schuhwerk vom Stapel. Von dort ging er zum Thema Armbanduhren über und danach zu seiner Designerkleidung.
    Als seine

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