Die meerblauen Schuhe meines Onkels Cash Daddy
sie annahm, er werde lautstark protestieren. Als er immer noch keine Reaktion zeigte, knipste sie das Licht an und sah den offenen Mund und die halbgeschlossenen Augen.
»Ich habe es überhaupt nicht gemerkt, als ich anfing zu schreien.«
Die ihr zuhörten, begannen zu weinen und zu wehklagen. Nachdem meine Mutter diese Geschichte den Schwestern meines Vaters vorgetragen hatte, seinen Brüdern, ihren Brüdern, ihren Schwestern, unseren Nachbarn, … erklärte Tante Dimma, nun sei es genug.
»Du darfst dich nicht damit verausgaben, dass du diese Geschichte immer wieder erzählst«, sagte sie. »Wenn noch jemand kommt und dich fragt, wie es passiert ist, sagst du einfach, dass du nicht mehr reden kannst.«
Fast alle, die kamen, beteiligten sich an einem inoffiziellen Wettstreit darum, wer länger und bitterer wehklagen konnte als die anderen.
»Hewu o!«, jammerte eine Frau. »Onwu, chei! Elee ihe anyi mere gi o?«
Ein Mann kam ins Wohnzimmer getaumelt und stieß einen markerschütternden Schrei aus.
»Paulinus!«, rief er. »Paulinus!«, rief er noch einmal.
Der Mann schüttelte den Kopf und setzte sich, während ein runzliger Mann an seine Stelle trat und die Meilensteine im Leben meines Vaters beschwor.
»Könnt ihr euch noch an den Tag erinnern, als er zum ersten Mal aus London zurückkam? Wie er über das ganze Gesicht strahlte, als er uns am Kai auf ihn warten sah?«
»Wem sagst du das?«, machte eine andere Männerstimme weiter. »Und wisst ihr noch den Tag, als er kam und uns erzählte, dass seine Frau ihren ersten Sohn geboren hatte? Erinnert ihr euch an das sonnige Lachen in seinem Gesicht?«
»Wo ist der Opara?«, fragte der ältere Mann. Alle wandten sich um und sahen mich an.
»Hewu!« , rief der Mann aus. »Er sieht genau wie sein Vater aus. Wie aus dem Gesicht geschnitten.«
Das war gelogen. Ich hatte den Haaransatz meines Vaters und die Augenbrauen meines Vaters, aber in allem anderen kam ich vollkommen nach meiner Mutter. Nur wo ich meine kleine Nase herhatte, wusste niemand.
»Paulinus war der Intelligenteste in unserer Klasse«, sagte ein anderer Mann. »Er war bei allem immer der Beste.«
»Wisst ihr noch, wie er immer sofort anfing, Fragen zu stellen, wenn der Lehrer etwas erklärt hatte?«
»Und er hat niemals aufgehört zu lesen; er hatte immer ein Buch in der Hand. Ich habe wahrhaftig mein Lebtag keinen intelligenteren Mann kennengelernt.«
Die Lobreden gingen weiter. Ola kam herein.
Die Sonne brach durch die Wolken. Zum ersten Mal in dieser Kette von Schicksalsschlägen hatte ich das Gefühl, der Herrgott wäre wirklich im Himmel und auf der Welt wäre alles in Ordnung. Sie trat auf mich zu.
»Kings.«
Ich stand auf.
Zwei große Tränen liefen ihr aus den Augenwinkeln in die Winkel ihrer schönen Lippen. Ich ergriff ihre Hand. Sie drückte meine. Plötzlich schmeckte der Schmerz ganz anders, so als wäre Süßstoff hineingerührt worden, damit er nicht so bitter war.
»Lass mich deine Mama begrüßen.«
Sie kniete sich vor meine Mutter auf den Boden und flüsterte ihr ins Ohr. Meine Mutter nickte wie bei allen anderen, die ihr ins Ohr geflüstert hatten. Von ihr ging Ola zu Godfrey und Eugene und Charity, die mit einem Schwarm Verwandter am Esstisch saßen. Dann kam sie zur Küchentür, wo ich auf sie wartete.
»Wie geht es dir?«, fragte ich.
»Gut. Und du, wie geht es dir?«
Eine Welle der Liebe überspülte meine Trauer. Mir war, als ob jetzt, wo sie hier war, beinahe alles gut wäre. Ja, es schien zu stimmen, was man sagte, dass die Liebe ein Allheilmittel war. Gegen alles, außer Armut und Zahnweh.
»Es war ein ziemlicher Schock«, erwiderte ich. »Ich war nicht darauf gefasst, dass er sterben würde.«
Ich wiederholte die Geschichte meiner Mutter Wort für Wort. Sie weinte an allen richtigen Stellen, während ich ihr die Hand drückte.
»Wie habt ihr die Beerdigung geplant?«, fragte sie. Ich seufzte.
Für jeden Igbo-Mann war es eine Frage der Ehre, dass er ein »gutes« Begräbnis bekam. Der Betrag, der nötig gewesen wäre, um meinem Vater den Abschied zu bereiten, den man nach allgemeinem Dafürhalten einem Mann von seinem unbetitelten Rang schuldig war, hätte sich auf das Zehnfache dessen belaufen, was wir im Laufe seines Krankenhausaufenthalts an Rechnungen bezahlt hatten. Außer der Bewirtung der Gäste bei der Totenwache und der Trauerfeier verlangte die Tradition, dass wir jede der verschiedenen Altersklassen in unserem Dorf mit einem bestimmten
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