Die meerblauen Schuhe meines Onkels Cash Daddy
und zurück beförderten. Sein Logo war auf etlichen der Gwongworos, die Palmöl, Tomaten und Zwiebeln transportierten. Plötzlich prallten meine Gedanken gegen einen Felsen.
»Ola, hat er denn studiert?«
Sie verweigerte die Antwort. Ich erschrak zutiefst. Die meisten Igbo-Unternehmer seines Schlages hatten nicht mal einen anständigen Schulabschluss.
»Moment mal! Du willst einen Mann heiraten, der nicht einmal studiert hat? Ola, was denkst du dir dabei?«
»Weißt du was, Kingsley? Ich muss jetzt los. Ich muss gehen, bevor es dunkel wird.«
Ich wollte weiterschimpfen, als sie mir etwas in die Hand drückte. Ich sah hin. Es war ein Bündel Nairascheine.
Haha.
Seinerzeit im Studium hatte Ola oft mit mir ihr bisschen Taschengeld geteilt, wenn ich abgebrannt war, und das war ich so gut wie immer. Der Unterschied war, dass damals das Geld nicht aus Udennas Tasche kam. Ich schob das Bündel in ihre Hand zurück.
»Nimm es bitte«, beschwor sie mich.
Ich schüttelte nachdrücklich den Kopf. Niemals.
»Kings, bitte, …«
Ich schüttelte weiter den Kopf. Sie presste mir die Scheine erneut in die Hand. Ich warf sie weg. Sie blickte verletzt. Sie ließ die Scheine am Boden liegen und wandte sich zum Gehen.
»Olachi, nimm dieses Geld mit!«
Sie zuckte zusammen und blieb stehen. Sie sammelte die Geldscheine auf und eilte davon. Ich starrte ihr so bohrend in den Rücken, wie ich konnte, ohne einen Mord zu begehen.
Zwei Tage später wurden die bekannten Trauerklänge in unserem Wohnzimmer von plötzlichem Verkehrslärm draußen auf der Straße übertönt. Durch die Jalousieschlitze sah ich, dass Scharen von Nachbarn und Passanten zusammengeströmt waren, um zu gaffen. Es kam nicht oft vor, dass ein Konvoi von Land Cruisern und CRV laut hupend und mit brummenden Motoren in der Ojike Street hielt. Mit der Hilfe von Protocol Officer kam ein meerblauer Schuh zum Vorschein. Cash Daddy quoll aus dem Wagen.
Voll Scham wurde mir bewusst, wie erleichtert ich war, ihn auftauchen zu sehen.
19
Mein Vater wurde mit großem Pomp bestattet.
Ein paar Tage vor der Trauerfeier setzte Cash Daddy eine ganzseitige Todesanzeige in drei der meistgelesenen überregionalen Zeitungen. Am Fuß jeder Seite war fett gedruckt erwähnt, dass er der Sponsor der Anzeige war. Ein Foto meines Vaters nahm drei Viertel der Seite ein. Umittelbar darunter gab es ein kleines Bild von Onkel Boniface.
»Wenn die Leute mein Foto mit dem deines Vaters sehen«, sagte er, »werden sie sofort aufmerksam und wollen das Ganze lesen. Wenn sie mitbekommen, dass ich mit ihm verwandt bin, werden sie bestimmt erscheinen.«
Er bezahlte auch Todesmeldungen in Rundfunk und Fernsehen. Jedesmal erklärte der Ansager am Schluss: »Diese Todesmeldung wurde im Namen der Familie Ibe von Häuptling Boniface Mbamalu, genannt Cash Daddy, in Auftrag gegeben.«
Von unserem Dorf bis zur Schnellstraße wurden an strategischen Stellen Stofftransparente aufgehängt. An Wänden und Bäumen klebten große Zettel mit der Todesmeldung. Wir mieteten einen Reisebus mit achtundfünfzig Plätzen, um die Verwandten meiner Mutter vom fernen Isiukwuato nach Umuahia zu befördern. Es gab Unmengen zu essen und zu trinken. Es war mehr als genug, worum sich die Dörfler balgen und was die Schmarotzer im Untergewand wegschmuggeln konnten.
Als ich während der Totenmesse sah, wie schick mein Vater in dem brandneuen italienischen Anzug aussah, in den meine Mutter und ihr jüngerer Bruder ihn gekleidet hatten, konnte ich mir das leise Lächeln nicht verkneifen, das sich mir auf die Lippen stahl. Mein Vater hatte die westliche Mode immer der traditionellen afrikanischen Kleidung vorgezogen. Sie sei nicht so umständlich, sagte er. Ganz anders als die meisten Männer seiner Generation hegte mein Vater keinen Groll gegen den weißen Mann. Er bevorzugte auch dessen Klima; die gemäßigte Witterung fördere das kreative Denken, sagte er immer. Und er bevorzugte dessen Kost: Er sagte, das Essen des weißen Mannes sei nicht zu stark gewürzt, weshalb man den ursprünglichen Geschmack der Zutaten besser genießen könne. Mehrere Leute bezeichneten meinen Vater spöttisch als onye ocha nna ya di ojii , den weißen Mann mit dem schwarzen Vater, aber das focht ihn nicht an.
Nach der Kirche geleiteten wir den Sarg zu unserem Grundstück, wo vier der männlichen Verwandten meines Vaters ihn in das offene Grab wuchteten, das unmittelbar neben unserem nagelneuen Haus ausgehoben worden war. Nachdem es über
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