Die meerblauen Schuhe meines Onkels Cash Daddy
nichts Ähnlichkeit hatte, was ich je zuvor gegessen hatte. Fad, roh und kalkig. Konnte dies wirklich die berühmte westliche Kost sein, die mein Vater dem afrikanischen Essen vorgezogen hatte?
Die Einreiseschlange am Heathrow Airport unterschied nicht zwischen erster Klasse und Economy, und so war ich wieder mit Cash Daddy und Protocol Officer vereint. Die strengen Beamten kontrollierten Pässe, stellten kalt Fragen und flüsterten untereinander. Einige aus unserer Schlange wurden aufgefordert, herauszutreten und zu warten, während der Grenzbeamte mit ihren Pässen verschwand. Ich fragte mich, was sie verbrochen hatten. Ich hatte allerlei Schauergeschichten über verzweifelte Immigranten gehört, deren Hoffnungen gleich hier in Heathrow zunichtegemacht worden waren: Man hatte sie umgehend in das nächste Flugzeug zurück nach Nigeria gesetzt und ihnen keine Gelegenheit gegeben, auch nur einen Blick auf das Gelobte Land jenseits des Flughafens zu werfen. Wenn uns nun das Gleiche passierte? Wenn sie den Verdacht schöpften, dass wir 419er waren? Mich schauderte.
Schließlich waren wir an der Reihe. Protocol Officer trat rasch vor und händigte Cash Daddys Pass aus.
»Wie lange beabsichtigen Sie, sich im Vereinigten Königreich aufzuhalten?«, fragte der Beamte. Seine Zähne waren braun und schief.
»Zwei Wochen«, antwortete Protocol Officer an Cash Daddys Stelle. »Er macht hier Urlaub.«
Der Grenzkontrolleur starrte wieder in Cash Daddys Pass. Dann starrte er Cash Daddy direkt ins Gesicht. Cash Daddy starrte stechend zurück. Der Mann wandte verunsichert den Blick ab. Wieder betrachtete er den Pass und blätterte ihn durch. Er räusperte sich, nahm eine Brille aus seiner Hemdtasche und schaute abwechselnd hindurch und über den Rand. Er räusperte sich abermals, schaute wieder über den Brillenrand, dann wieder durch die Gläser.
Er machte den Mund auf, um eine neue Frage zu stellen. Cash Daddy starrte ihm direkt ins Gesicht.
Der Mann versank fast im Boden.
»Willkommen im Vereinigten Königreich«, sagte er.
Cash Daddy ignorierte ihn und schritt vorbei. Der Mann nahm sich ausführlich Zeit, Protocol Officers Pass zu prüfen und Fragen zu stellen. Viele von Protocol Officers Antworten verfehlten die Wahrheit um gut fünf Kilometer. Aus irgendeinem Grund hielt mich der Beamte keiner gründlichen Kontrolle wert. Er hieß mich ohne weitere Mätzchen willkommen.
»Unsinn«, sagte Cash Daddy, als ich ihn eingeholt hatte.
»Hexen und Zauberer fliegen in jedem Land ohne Einreisekontrollen ein und aus, wie sie wollen. Warum soll ich mich schikanieren lassen?«
Entscheidend war, dass wir drin waren.
»Und wenn ich erst mal Gouverneur bin«, fuhr er fort, »habe ich einen Diplomatenpass. Dann wird mich sowieso niemand mehr anreden dürfen.«
Ich wusste, dass wir im Land des weißen Mannes waren. Dennoch machte es mich ein wenig beklommen, so viele Weiße gleichzeitig an einem Ort herumlaufen zu sehen. Auf den Straßen einer normalen nigerianischen Kleinstadt sah man nur ganz selten einen Weißen. So selten, dass in Umuahia manche Leute stehenblieben, wenn sie einen Weißen sahen, ihn anstarrten und mitunter sogar »Oyibo!« riefen, weil sie hofften, er werde sich daraufhin umdrehen und winken. Als ich in der vierten Klasse war, hatten wir ein deutsches Mädchen in der Klasse, dessen Vater Ingenieur bei den Golden Guinea Breweries war. Mehrere Kinder strichen ihr heimlich mit den Fingern durch die Haare, um die glatten, blonden Strähnen zu fühlen. Weil ich der beste Schüler war, setzte mich mein Lehrer auf den begehrten Platz neben ihr. Als ich eines Tages einmal aufstand, um eine schwierige Frage zu beantworten, trat ich ihr fest mit dem Absatz auf die Zehen. Ich wollte einfach hören, wie es klang, wenn sie schrie.
Der Fahrer der gemieteten Limousine hatte ebenfalls braune und schiefe Zähne. Der Hotelportier desgleichen. Mein Vater hatte in seinen Reisegeschichten keine derartigen Missstände erwähnt. Wie konnten die Engländer so schlechte Zähne haben? Oder vielleicht waren es ja Einwanderer und gar keine richtigen Engländer.
Nachdem wir unsere verschiedenen Zimmer bezogen hatten, trafen wir uns in Cash Daddys Suite zu einer letzten Einsatzbesprechung. Ich und Protocol Officer standen in der Tür zum Bad, während Cash Daddy aus der Badewanne zu uns sprach.
»Wie schon gesagt, das ist nicht die Art von Job, wo man abbeißt, nachspült und scheißt, und damit ist der Fall erledigt.«
Er hob ein
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