Die meerblauen Schuhe meines Onkels Cash Daddy
Daddys Stimme platzte in meine Betrachtungen hinein.
»Ich habe dir doch gesagt, du sollst zusehen, dass du heiratest«, sagte er. »Ich weiß nicht, worauf du wartest. Was ich jungen Männern immer rate, ist: Wenn du erst einmal Geld verdienst und deine ersten paar Autos gekauft hast, solltest du als Nächstes in eine Frau investieren. Du hättest schon längst heiraten sollen.«
Er hatte recht. Ich hätte schon vor langem heiraten sollen. Ich hätte überdies bei Shell oder Mobil oder Schlumberger arbeiten und jeden Abend zu Ola nach Hause kommen sollen. Leider lief es im Leben oft anders.
Er inspizierte seine Statur im Ganzkörperspiegel. Während er sich in Versace -Jeans und ein Seidenhemd von Yves Saint Laurent zwängte, redete er über Geschäfte und neue Ideen.
»Ich denke auch daran, noch ein paar von diesen jungen Burschen anzustellen, die sich besser mit dem Internet auskennen. Der Einzige, den wir haben, ist Wizard. Er ist gut, aber der Junge ist ein Dieb. Er könnte einer Frau im Schoß rumräubern, ohne dass sie was merkt. Und ich kann zwei Dinge nicht leiden, Leute, die stehlen, und Leute, die nicht loyal sind.«
Er wandte sich vom Spiegel ab und sah mich an.
»Was ist mit deinem Bruder?«, fragte er. Ich verengte die Augen.
»Ich meine Godfrey«, stellte er klar.
»Niemals.«
»Aber er macht einen recht intelligenten …«
»Niemals.«
Er musste verstanden haben, dass dieser Fall absolut abgeschlossen war. Er hörte auf zu reden und betrachtete wieder sein Spiegelbild.
Mein Telefon klingelte. Es war der Sohn der dritten Schwester meines Vaters.
»Ebuka, ruf mich bitte später an. Ich bin in einer Sitzung.«
»Kings, nimm dein Gespräch ruhig an«, sagte Cash Daddy.
»Nein, schon gut, ich kann …«
»Nimm dein Gespräch an.«
Ebuka brauchte Geld, um sein GCE-Anmeldungsformular zu kaufen.
»Aber ich habe dir doch neulich erst Geld für das Formular geschickt«, sagte ich.
»Bruder Kings, das war ein anderes. Das war für meine SSCE-Prüfung. Das Formular habe ich schon gekauft und ausgefüllt. Wenn du willst, bringe ich dir die Quittung vorbei.«
»Okay, komm morgen Abend bei mir zu Hause vorbei und hol dir das Geld ab.«
Meine Adresse musste ich ihm nicht geben. Alle meine Verwandten fern und nah wussten inzwischen, wo ich wohnte. Es schien eine gute Fee zu geben, deren Aufgabe es war, meine Kontaktdaten an jedes vorbeischwirrende zweiflügelige Insekt weiterzugeben.
»Bruder, danke vielmals«, sagte er.
Cash Daddy war dabei, sich vor dem Spiegel die Augenbrauen zu bürsten und die gebleckten Zähne zu inspizieren. Seine Körperpflege nahm immer viel Zeit in Anspruch, bevor er zufrieden war.
»Kings«, sagte er plötzlich, »ist dir schon mal der Gedanke gekommen, dass ich inzwischen zu groß bin, um weiter dem Geld nachzujagen? Komm mit.«
Er fasste mich am Oberarm und führte mich ans Fenster. Er ging sehr dicht neben mir, fast mit der Brust an meine Schulter gelehnt. Eine Weile standen wir so und blickten durch die Scheibe, ohne etwas zu sagen. Vom Fenster aus blickte man auf das Eingangstor.
Fast sämtliche Häuser in der Iweka Street und den Straßen dahinter lagen in völliger Dunkelheit. Stromausfall. In der Ferne erblickte ich die hellen Lichter von World Banks riesigem Wohnhaus. Wie Cash Daddy hatte er einen Stromgenerator. Nach einer Weile sah ich meinen Onkel von der Seite an. Er hatte einen entrückten Blick wie ein Kaiser, der überlegt, wie weit er seinen Untertanen die Steuern noch senken soll.
»Kings«, sagte er plötzlich, »kommt es dir manchmal so vor, als ob Gott mit dir reden würde?«
Ich dachte nach.
»Nein.«
Er wandte sich vom Fenster ab und sah mich an.
»Kings, liest du nicht in der Bibel?« Er wartete nicht auf eine Antwort. »Du solltest oft in der Bibel lesen«, sagte er, schüttelte bedächtig den Kopf und drohte mir mit dem Finger. »Das ist sehr, sehr wichtig.«
Nach dieser Kurzpredigt wandte er den Blick wieder dem Fenster zu und holte tief Atem.
»Kings«, sagte er ausatmend, »jedes Mal, wenn ich hier stehe und aus dem Fenster gucke, kommt es mir so vor, als würde Gott mit mir reden. Es ist, als könnte ich ihn sagen hören, dass er mir dieses Land gegeben hat, so weit meine Augen reichen, genau wie er es einst zu Papa Abraham sagte.«
Er schwieg und sah mich an.
»Kings, ich habe beschlossen, mich in den kommenden Wahlen um den Posten des Gouverneurs von Abia zu bewerben.«
Dass ich nicht augenblicklich vor Schreck umfiel, war
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