Die Meerhexe
Durand lächelte. »Aber Sie brauchen keinen Badeanzug einzupacken. Bitte stehen Sie jetzt auf und ziehen Sie sich an.«
»Und was ist, wenn ich mich weigere?«
»Dann ziehen wir Sie an.«
»Ich bin aber nicht bereit, mich vor Ihren Augen anzuziehen.«
»Mein Freund wird draußen im Korridor warten«, beruhigte Durand sie, »und ich gehe ins Bad und lasse die Tür nur einen ganz kleinen Spalt offen – nicht um Sie zu beobachten, sondern nur, um das Fenster im Auge zu behalten, damit Sie nicht etwa hinausklettern. Rufen Sie mich, wenn Sie fertig sind, und beeilen Sie sich bitte.«
Bereits drei Minuten später war sie fertig. Sie trug eine blaue Bluse, blaue Hosen und war ordentlich frisiert.
Durand nickte lobend.
»Packen Sie eine Reisetasche – nur das, was Sie für ein paar Tage brauchen.«
Er sah ihr zu, wie sie packte. Schließlich zog sie den Reißverschluß der Tasche zu, nahm ihre Handtasche und sagte: »Ich bin soweit.«
Er nahm ihr die Handtasche ab und schüttelte den Inhalt aufs Bett. Aus dem Wirrwarr fischte er eine kleine Pistole mit Perlmuttgriff heraus und steckte sie in die Tasche.
»So, und jetzt wollen wir die Handtasche wieder schön einpacken, okay?«
Marina gehorchte mit zornrotem Gesicht.
Zur gleichen Zeit spielte sich eine ähnliche Szene in Melindas Zimmer ab.
Vom Eintreffen Durands und seiner Männer bis zum Verlassen des Hauses mit den beiden Mädchen vergingen knapp fünfundzwanzig Minuten. Niemand war verletzt worden – wenn man den Stolz einmal außer acht ließ –, und die Herren waren sogar so freundlich gewesen, Jenkins in einen tiefen Sessel in der Eingangshalle zu setzen, bevor sie ihn an Händen und Füßen fesselten, was der Butler allerdings nicht gebührend honorierte.
Etwa zehn Minuten nach dem Abflug landete Lord Worths Hubschrauber neben seiner Boeing. Es gab keine Zoll- oder sonstigen Abfertigungsformalitäten. Lord Worth hatte ein paar Jahre zuvor erklärt, daß er derartige Gepflogenheiten nicht schätze, und wenn Lord Worth seinen Standpunkt klarmachte, so handelten die Leute im allgemeinen auch entsprechend.
Während der zweiten Reiseetappe ereignete sich der zweite unglückliche Vorfall, und wieder hatte der Lord keine Ahnung davon.
Der Hubschrauber der Questar, die jetzt Georgia hieß, hatte die Torbello ausgemacht. Der Pilot meldete, daß er das Schiff zwei Minuten zuvor gesichtet habe. Er schätzte seine Länge und Breite, so gut es eben mit bloßem Auge ging. Und dann gab er, was noch wichtiger war, ihren Kurs mit annähernd dreihundertfünfzehn Grad an, was bedeutete, daß sie sich tatsächlich auf Kollisionskurs mit der Georgia befand. Die beiden Schiffe waren ungefähr fünfundvierzig Meilen voneinander entfernt. Cronkite gratulierte dem Piloten und beorderte ihn zur Georgia zurück. Dann lächelte er Mulhooney, der neben ihm auf der Brücke stand, hochzufrieden an – zwischen Planung und Ausführung einer Unternehmung klafft nur allzu oft eine unüberbrückbare Kluft, aber in diesem Fall schien alles genau nach Plan abzulaufen.
»Ich glaube«, sagte Cronkite zu Mulhooney, »es ist Zeit, daß wir uns etwas Respektableres anziehen. Und vergessen Sie nicht, sich die Nase zu pudern.«
Mulhooney grinste und verließ die Brücke. Cronkite gab dem Steuermann noch ein paar Instruktionen und verließ dann ebenfalls die Brücke.
Weniger als eine Stunde später war die Torbello klar am Horizont zu erkennen. Die Georgia, die zunächst geradewegs auf sie zufuhr, änderte, als sie bis auf drei Meilen an das andere Schiff heran war, ihren Kurs um dreißig Grad nach Steuerbord und kam dann in einem weiten Bogen zur Backbordseite hinüber. Zwei Minuten später lag die Georgia auf parallelem Kurs zur Torbello und hielt sich in einem Abstand von nicht mehr als dreißig Metern auf der Höhe der Brücke – bei Tankern liegt sie sehr weit hinten – neben ihr. Cronkite trat auf die Nock der Kommandobrücke der Georgia hinaus und hob ein Megaphon an den Mund.
»Hier spricht die Küstenwache. Halten Sie bitte an. Dies ist eine Bitte, kein Befehl. Ich glaube, Ihr Schiff ist in großer Gefahr. Ich bitte um Ihre Erlaubnis, einen ausgebildeten Suchtrupp an Bord schicken zu dürfen. Wenn Ihnen die Sicherheit Ihrer Mannschaft und des Schiffes am Herzen liegt, brechen Sie bitte auf keinen Fall die Funkstille.«
Kapitän Thompson, ein ehrlicher Seemann ohne die geringsten kriminellen Neigungen, hob seinerseits ein Megaphon an die Lippen.
»Was ist los? Warum
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