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Die Meerhexe

Die Meerhexe

Titel: Die Meerhexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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nicht. Aber sie kamen zu spät.
    John Campbell war sowohl ein leidenschaftlicher Angler als auch ein leidenschaftlicher Leser, und es war ihm schon vor langer Zeit gelungen, diese beiden Beschäftigungen miteinander zu verbinden. Sechs Meter von seiner rückwärtigen Veranda entfernt floß ein recht fischreicher Bach an seinem Haus vorbei. John Campbell saß gerade unter einem Sonnenschirm in einem Segeltuchstuhl und warf jedes Mal, wenn er eine Seite umblätterte, seine Angel aus, als plötzlich Durand und einer seiner Männer, beide mit Strumpfmasken über dem Gesicht und gezückten Waffen, in sein Blickfeld kamen. Campbell stand auf. Das Buch hatte er immer noch in der Hand.
    »Wer sind Sie und was wollen Sie?«
    »Sie sind doch Campbell, oder?«
    »Und wenn ich es bin?«
    »Wollen Sie uns vielleicht einen kleinen Gefallen tun?«
    »Was für einen Gefallen?«
    »Einen Hubschrauber für uns fliegen.«
    »Den Teufel werde ich tun.«
    »Er wird Sie holen, wenn Sie es nicht tun. Los, kommen Sie schon.«
    Campbell trat gehorsam zwischen die beiden Männer. Etwa dreißig Zentimeter trennten ihn von der Waffe in Durands Hand, als er seine Handkante auf dessen Handgelenk heruntersausen ließ. Durand stieß einen Schmerzenslaut aus, die Waffe fiel zu Boden, und eine Sekunde später hingen die beiden Männer in einem kombinierten Ring-Box-Kampf aneinander, bei dem keine der üblichen Regeln beachtet wurde. Sie rollten so schnell hin und her, daß Durands Komplice, der seine Waffe jetzt am Lauf hielt, um damit zuschlagen zu können – das letzte, was er wollte, war, Campbell zu erschießen –, zunächst keine Möglichkeit sah, sich einzumischen, wenn er nicht riskieren wollte, seinen Boß zu treffen. Aber dann kam die Gelegenheit plötzlich doch: der unsportliche, aber sehr wirkungsvolle Einsatz von Campbells rechtem Knie ließ Durand vor Schmerz nach Luft schnappend hinüberfallen. Dabei bewies er jedoch noch genug Instinkt, um sich an Campbells Hemd festzukrallen – und das war Campbells Verhängnis, denn sein Hinterkopf bot sich geradezu zum Zuschlagen an.
    Nachdem Campbell bewußtlos geschlagen und von Durand weggezerrt worden war, kam dieser zwar auf die Füße, schaffte es jedoch nicht, sich gerade aufzurichten. Er zog sich die Strumpfmaske vom Kopf, um besser atmen zu können. Durand war Lateinamerikaner, was man bei seinem Namen eigentlich nicht vermutet hätte. Sein milchkaffeebraunes Gesicht war jetzt blaß; er trug dichte, schwarze Locken, einen bleistiftdünnen Schnurrbart und war normalerweise ein recht gutaussehender Mann. Momentan allerdings ließ sich davon nichts feststellen, da sein Gesicht vom Schmerz entstellt war. Durand richtete sich Zentimeter für Zentimeter auf und hatte schließlich genug Luft in die Lungen gepumpt, um seinem Kumpan mitteilen zu können, was er gern mit Campbell täte.
    »Das müssen Sie verschieben, Mr. Durand. Wenn er im Krankenhaus liegt, kann er keinen Hubschrauber fliegen.«
    Durand mußte sich wohl oder übel beherrschen. »Ich hoffe, Ihr Schlag war nicht zu hart.«
    »Nur ein Antippen.«
    »Fesseln Sie ihn, knebeln Sie ihm den Mund zu und verbinden Sie ihm die Augen.« Durand hatte es jetzt fast geschafft, sich ganz aufzurichten. Sein Helfer ging zum Auto und kam ein paar Sekunden später mit einem Stück Schnur, einer Rolle Klebeband und einem Tuch zurück. Drei Minuten später waren sie bereits unterwegs – der immer noch bewußtlose Campbell lag, mit einem Teppich zugedeckt, hinten im Wagen auf dem Boden. Durand hatte seine Füße bequem auf dem Teppich plaziert – er fühlte sich noch nicht so recht in der Lage, selbst zu fahren. Auch sein Komplice hatte inzwischen seine Maske abgenommen – sogar im Staat Florida mußte man damit rechnen, daß man Aufmerksamkeit erregte, wenn man mit einem Strumpf über dem Kopf hinter dem Steuer saß.
    Mitchell überflog die Liste von Namen und Adressen, die Robertson zusammengestellt hatte. »Wunderbar. Aber was bedeuten die Häkchen hinter fünf von den Namen?«
    »Ich hoffe, Sie nehmen es mir nicht übel«, sagte Robertson entschuldigend, »ich möchte mich ja nicht einmischen, aber ich habe mir die Freiheit genommen, diese fünf Herren anzurufen, um festzustellen, ob sie zuhause wären, wenn Sie anrufen würden – Sie wollen sie doch anrufen oder?«
    Mitchell wandte sich anklagend an Roomer: »Warum zum Teufel hast du nicht daran gedacht?«
    Roomer beschränkte sich auf einen vernichtenden Blick und sagte zu Robertson:

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