Die Meister der Am'churi (German Edition)
LEBEN.“
Ni’yo öffnete sich Jivvins Energie, ließ zu, dass Am’chur den Bund erneuerte. Als er Jivvin ein zweites Mal abwehrte, sehr sanft diesmal, war er stark genug, um überleben zu können. Und bereit, es mit diesem Leben aufzunehmen, egal, was es ihm noch antun wollte. Nicht um sich selbst, aber um Jivvins Willen.
~*~
Ni’yo öffnete die Augen. Er fand sich umgeben von Am’churi, von den Kindern Murias und Kaleshs. Niemand bedachte ihn mit Hass oder Ablehnung, da war nichts als Ehrfurcht, Staunen und Respekt.
Am’chur stand leibhaftig über ihm, mit Muria an seiner Seite. Die Wölfin legte gerade eine ihrer gewaltigen Pfoten auf Brynns Brust, der tot zu sein schien.
Ni’yo setzte sich auf und beobachtete, wie der junge Wandler sich unter der Berührung regte, seine klaffenden Wunden sich schlossen und er ruhig zu atmen begann. Lurez gab einen Laut von sich, der ebenso sehr Lachen wie Schluchzen zu sein schien. Ni’yo spürte die Erleichterung, die von ihm ausging, und die Liebe zu Brynn, der jetzt die Lider öffnete und Lurez mit strahlenden Augen betrachtete. Tief berührt wandte er den Kopf zu Jivvin und tauschte mit ihm ein glückliches Lächeln.
Die beiden Götter wandelten zwischen den Kämpfern, heilten all jene, die noch einen Lebensfunken besaßen; Am’chur kümmerte sich sogar um den Drachen, dem Ni’yo die Schwingen zerstört hatte. Nur zu Yumari ging niemand, obwohl sie ebenfalls verletzt war, wenn auch leicht. Ni’yo war ein wenig verwirrt, warum kam T’Stor nicht, um sich seiner Erwählten anzunehmen? Doch die Schmiedin bewegte sich ungehindert und schien zu sehr in ihr Gespräch mit Orophin vertieft, um göttliche Aufmerksamkeit zu vermissen.
Am’chur blickte ihn aus unergründlichen Augen an, so wie Charur, wenn der amüsiert gewesen war. Dann verschwanden beide Götter, von einem Moment auf den anderen.
Jivvin umarmte ihn von hinten, Ni’yo lehnte sich dankbar an. Noch immer fühlte er sich schwach und desorientiert. Von der unglaublichen Macht, die er in sich entfesselt hatte, war lediglich der vertraute Schatten geblieben, den er tief in sich verbannte. Er wusste, er könnte Am’chur jederzeit verstoßen und sein Erbe erneut annehmen. Doch das wollte er noch weniger als jemals zuvor. Im Moment sehnte er sich nach nichts mehr außer Ruhe, und wenn das bedeutete, inmitten von Leichen und Blut auf einem Felsen zu hocken und sich von dem Mann halten zu lassen, der ihm mehr bedeutete als alle Macht der Welt, dann war er zufrieden.
„Ihr zwei Hübschen seid ein Fest für die Augen“, sagte Yumari unvermittelt. Ni’yo blickte hoch und sah sie breit grinsen. Sie hatte sich die Kette um die Hüfte geschlungen und sah wilder denn je aus. „Aber vielleicht solltest du für deinen Liebsten etwas zum Anziehen suchen, Jivvin? Er ist ja kein Wolf, der sich nach Belieben mit einem Pelz wärmen kann.“
Ni’yo erinnerte sich erst jetzt, dass er völlig nackt war. Errötend zog er die Beine an den Körper und drängte sich noch dichter an Jivvin heran, den Kopf an seiner Schulter verborgen.
„Meinetwegen könntest du so bleiben.“ Er hörte das Lächeln in Jivvins Stimme, der ihn fest umarmt hielt.
„Damit ihr euch vor den Aufräumarbeiten drücken könnt, weil der eine friert und der andere ihn wärmen muss? Vergiss es!“ Lurez schlug Jivvin leicht gegen den Arm und hielt Ni’yo lachend einen Umhang hin; verunsichert nahm Ni’yo ihn an. Er wusste, es war freundlich gemeint, man lachte ihn nicht aus. Wie er darauf reagieren sollte, hatte er nie gelernt. Doch er wollte es lernen.
~*~
Vor einer unüberblickbaren Anzahl göttlicher Drachenstatuen setzte Dan’chur sie behutsam ab. Bevor Lynea allerdings etwas sagen konnte, erwachten die Statuen wahrhaftig zum Leben. Die Präsenz Hunderter Götter war so überwältigend, dass sich Lynea wimmernd am Boden wiederfand.
„Wie du es gesagt hast, so soll es geschehen!“, hörte sie eine Stimme, die ihr fremd war. Eine solche Macht lag in ihr, dass Lynea schreiend um ihren Verstand kämpfen musste. Es war kein Drache, der dort sprach, sondern eine formlose Säule, in der sich Licht und Schatten vereinten, in beständigem Wechsel, sich gegenseitig vernichteten und neu erschufen. Unter ihr lag Dan’chur im Staub, auch er niedergestreckt von der schieren Kraft, für die Lynea kein Gleichnis kannte.
„Das ist Kalesh“, sagte jene Stimme, die Lynea ein Leben lang begleitet hatte. Muria nahm sie auf und barg sie
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