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Die Meisterin der schwarzen Kunst

Die Meisterin der schwarzen Kunst

Titel: Die Meisterin der schwarzen Kunst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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Schwester Barbara, störten sich nicht an den Zuständen in der Druckerwerkstatt. Sie waren die meiste Zeit des Tages außer Haus. Hans besuchte die Lateinschule am Rindermarkt, während seine Schwester von der ältlichen Witwe eines befreundeten Buchbinders am Münsterplatz in Lesen, Schreiben und dem Katechismus unterrichtet wurde. Was die kleine Barbara dabei tatsächlich lernte, blieb ein Geheimnis, doch da sich Carolus keine Hauslehrerin für seine Tochter leisten konnte, stellte niemand das Arrangement in Frage.
    Henrika schloss die Kinder des Druckers rasch ins Herz, vor allem Barbara machte ihr Freude, denn das Mädchen war fröhlich und zuvorkommend. Da ihre Eltern stets beschäftigt waren, hatte Barbara bereits früh Verantwortung für ihren kleinen Bruder übernehmen müssen. Sie sorgte dafür, dass die Kleidung, in der er zur Lateinschule aufbrach, keine Risse und Flecken hatte, kontrollierte die Sauberkeit seiner Hände und Ohren und vergaß auch nie, ihm Frühstücksbrote zu richten. Sie selbst verkroch sich, nachdem sie vom Münsterplatz heimgekehrt war, meistens in der Küche, wo sie unter der Aufsicht der alten Magd Äpfel schälte oder Gemüse putzte. Die Meisterin ließ sich in der Küche nur selten blicken. Es war nicht zu übersehen, dass sich das Mädchen nach einer Vertrauten sehnte, der sie von Zeit zu Zeit ihr Herz ausschütten konnte.
    Als der Winter sich endlich verabschiedete und die Zeit für den Frühling gekommen war, hatte sich Henrika schon gut an ihr neues Leben in Straßburg gewöhnt; nur selten dachte sie an die Zeit in Mannheim zurück. Manchmal fuhr sie jedoch nachts aus dem Schlaf hoch, weil böse Träume sie quälten. Mannheim war zwar fern, doch die Nacht, in der sie die Leiche des Baumeisters gefunden hatte und aus der Stadt fliehen musste, quälte noch immer ihre Seele. Doch allmählich ertappte sie sich dabei, dass sie anfing, die Geschichte zu glauben, mit der David sie in Carolus’ Haus eingeführt hatte.
    Zu ihrer Freude hielt Carolus sein Versprechen. Nachdem sie das angeblich von Barthel stammende Geld auf den Tisch in der Werkstatt gelegt hatte, fing der Druckermeister an, sie in die Kunst des Gazettenmachens einzuweihen.
    Henrika stürzte sich voller Begeisterung in die ihr zugewiesene Arbeit. Sie übernahm Botengänge, fegte die Werkstatt und sah den Druckern an der Presse zu. So lernte sie allmählich auch die Männer kennen, die bei Carolus in Lohn und Brot standen. Da gab es den dicken Niklas, dessen Kleider stets nach Tabak rochen. Henrika erfuhr, dass Niklas in jungen Jahren auf einem englischen Schiff zur See gefahren und an der berüchtigten Seeschlacht teilgenommen hatte, die zum Untergang der spanischen Flotte geführt hatte. Carolus hatte den Mann, der auf verschlungenen Pfaden in Straßburg gestrandet war, aufgenommen, auch wenn er vom Gewerbe eines Druckers und Buchbinders nicht mehr verstand als eine Nonne von der Seefahrt.
    Niklas kümmerte sich um die Buchbinderei, was bedeutete, dass er Kunden vertröstete oder mit seinen unglaublichen Geschichten unterhielt, bis der Meister Zeit hatte, sich ihren Wünschen zu widmen. Er konnte weder lesen noch schreiben, schien sich aber inmitten all der Bücher wohl zu fühlen, die Carolus druckte. Henrika behandelte er zuvorkommend, während die beiden Setzer, die in der Druckstube ihre Arbeitstische hatten, meist griesgrämig vor sich hinbrüteten und kaum ein Wort an sie richteten. Freundlich war dagegen Adam, der Zeitungskrämer, ein buckliges Männlein mit schütterem rotem Haar und einer Hakennase, der jeden Morgen in aller Frühe mit seinem hölzernen Bauchladen gutgelaunt hereinschneite, um die fertigen Zeitungen abzuholen. Zur Belustigung der meist noch müden Gesellen stimmte er von Zeit zu Zeit lauthals sein Krämerlied in der Werkstatt an: «Hört zu, lauft zu, wacht auf und lauscht, was ich euch zu berichten habe!» Dann begann er den Tonfall eines öffentlichen Herolds nachzuahmen und verkündete eine Neuigkeit. Doch er verkündete sie nicht nur, er malte sie regelrecht mit Worten, bis seine Zuhörer zu sehen glaubten, was er wortreich beschrieb. Wie ein Schausteller oder Poet, der Lob für seine dargebotene Kunst erwartet, suchte Adam die Blicke seiner Zuhörer und versuchte von ihren Gesichtern abzulesen, wie seine Botschaft aufgenommen wurde, bevor er sein Krämerlied an der dramatischsten Stelle abbrach. Zuletzt zog er mit einem listigen Lächeln den Hut und schwenkte die Gazette wie eine

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