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Die Meisterin der schwarzen Kunst

Die Meisterin der schwarzen Kunst

Titel: Die Meisterin der schwarzen Kunst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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habt behauptet, Frankfurt sei eine aufregende Stadt, aber diese Buchgasse ist langweilig. Es kommen ja auch fast nur alte bärtige Männer vorbei. Warum sehe ich keine Edeldamen in eleganten Roben? Vor dem Stadttor haben ihre Sänften uns noch den Weg versperrt, und jetzt lässt sich keine von ihnen blicken. Und warum reden die Leute dort drüben schon seit einer halben Stunde über die Bücher, die sie sich anschauen? Warum kaufen sie nicht einfach, was ihnen gefällt, und lesen es dann zu Hause?»
    Seufzend zuckte Henrika mit den Schultern. Sie konnte verstehen, dass die Tochter des Meisters das Interesse an den Büchern der Nachbarstände rasch verloren hatte, zumal die Auswahl an Werken, die ein Mädchen ihres Alters interessieren konnte, bescheiden war. David hatte Barbara verboten, sich dem Tisch des Mannes, den de Bry für einen kaiserlichen Berichterstatter hielt, zu nähern, und zu Henrikas Überraschung hielt sich das lebhafte Mädchen daran. Allerdings tat sie es nicht David zuliebe, sondern weil sie den Buchkrämer mit seinem aufgedunsenen Gesicht und den schweißverklebten Haaren abstoßend fand.
    Nach einer Weile erlaubte Henrika dem quengelnden Mädchen, sich auch die Stände und Buden rund um die Kirche anzusehen, wenn sie versprach, sich in regelmäßigen Abständen blicken zu lassen.
    «Das werde ich bestimmt tun», versicherte Barbara eifrig, während sie das Band mit dem Engelsanhänger berührte. «Aber ich muss noch den Spiritus weiterverkaufen, damit der Teufel mir nicht schaden kann.»
    «Also schön, dann verkauf deinen Spiritus . Aber komm nicht zu spät, sonst macht mir dein Vater die Hölle heiß.»
    Barbara lief mit strahlendem Gesicht los. Die Stände und Tische entlang der Gasse streifte sie nur mit flüchtigen Blicken. Das einzige Werk, das ihr gefiel, war ein Büchlein mit farbenfrohen Holzschnitten, das in verschnörkelter Druckschrift die Abenteuer eines gewissen Till Eulenspiegel erzählte. Eine Weile blätterte sie in dem Buch und amüsierte sich über die derben Scherze des Narren, bis das griesgrämige Weib des Druckers ihr das Buch mit dem Vorwurf aus der Hand nahm, sie hinterließe schwarze Fingerabdrücke auf dem gelblichen Papier. Barbara rannte davon, drehte sich in sicherer Entfernung aber noch einmal um und streckte der Frau die Zunge heraus. Ihr würde sie den Spiritus gewiss nicht verkaufen.
    Nach diesem Zwischenfall verging Barbara die Lust auf weitere Bücher. Sie hob auch keines der Pamphlete mehr vom Boden auf. Stattdessen beschloss sie, der Buchgasse den Rücken zu kehren und sich ein wenig auf dem Markt umzuschauen. Da sie keine Ahnung hatte, wie sie dorthin gelangen sollte, ließ sie sich einfach mit der Menge treiben, bis sie die Leonhardspforte durchschritten hatte. Unter den Menschen waren Musikanten und Scholaren, aber auch Krämer, die Maulesel mit vollgepackten Satteltaschen am Zaumzeug führten.
    Eine halbe Stunde später hatte sich Barbara im Gewirr der Straßen und Gassen verlaufen. Entsetzt blickte sie sich um und versuchte, irgendwo zwischen den Dächern den schlanken Kirchturm wiederzuerkennen, in dessen Nähe sich der Bücherstand ihres Vaters befand. Aber Kirchen und Türme schien es in Frankfurt nicht weniger zu geben als in Straßburg. Voller Unbehagen dachte sie an die Schelte, die sie erwartete, sobald sie in die Buchgasse zurückkehrte. Falls sie überhaupt zurückkehrte. Die Augen des Mädchens füllten sich mit Tränen der Verzweiflung. Henrika würde enttäuscht von ihr sein, und an den Zorn ihres Vaters mochte sie gar nicht denken.
    Inzwischen war es kühl geworden. Barbara fröstelte, außerdem brannten ihr die Füße, die sie zur Feier des Tages in ihre schönsten, aber viel zu engen Schuhe gezwängt hatte. Am liebsten hätte sie sich auf den Boden gesetzt und wie ein kleines Kind geheult.
    Doch dann erblickte sie plötzlich ein Stück weit von sich entfernt ein bekanntes Gesicht. Es war Laurenz, der schnellen Schrittes über die Straße eilte. Barbara seufzte erleichtert und rieb sich rasch die feuchten Augen. Sie mochte den Gesellen ihres Vaters zwar nicht sonderlich, doch das hatte weniger mit seiner Person zu tun als mit der Tatsache, dass sie dem lauten Treiben in der heimischen Druckerei nur wenig abgewinnen konnte. Seit Henrikas Ankunft hatte sich ihre Abneigung gegen die schwarze Kunst gelegt. Während ihr vorher nie etwas über das Druckerhandwerk erzählt worden war, hatte Henrika sich die Zeit genommen, ihr das eine oder andere

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