Die Meisterin der schwarzen Kunst
beruhte, und vergaß auch nicht auf die Kuriere hinzuweisen, die ihr Leben in den Dienst der Zeitung stellten. Staunen und Kopfschütteln begleiteten ihre Ausführungen. Als die Turmuhr zum sechsten Mal schlug, hatte sie nahezu alle Exemplare der Straßburger Relation an einflussreiche Herren verkauft. Zufrieden lächelte sie David an, der ausnahmsweise mal kein griesgrämiges Gesicht machte, sondern ihre Freude teilte.
«Du hast fast den ganzen Tag am Stand zugebracht», meinte er freundlich, während er die wenigen verbliebenen Zeitungsexemplare auf dem Tisch mit Steinen beschwerte. Der Wind war stärker geworden und drohte, die Druckerzeugnisse davonzuwehen. «Vielleicht möchtest du dir nun aus der Nähe anschauen, was unsere Zunftbrüder ausstellen, bevor Meister Carolus zurückkehrt?»
Darauf hatte Henrika nur gewartet. Sie warf sich ihr Schultertuch über, rückte die Haube zurecht und schlenderte durch die Buchgasse. Zu ihrem Bedauern hatten viele der Händler ihre kostbaren Bücher bereits wieder auf Karren oder in Kisten verstaut. Ein Mann erklärte Henrika, dass die Abendluft so nahe am Main den empfindlichen Seiten eines Buches schade, und tröstete sie damit, dass er ihr zu einem späteren Zeitpunkt gerne alles zeigen würde, was er zu bieten habe.
«Ich denke, mein Planetenbuch dürfte Euren Ehemann begeistern», sagte er mit einem derart verschwörerischen Blick, als biete er unter seinem Schragentisch auch Gift zum Verkauf an.
Henrika überging die Bemerkung und fragte: «Euer Planetenbuch?»
Der Händler machte ein erstauntes Gesicht. «Habt Ihr noch nie von Kepler gehört, dem Hofmathematiker und Astronom Seiner Majestät des Kaisers?»
Henrika zuckte die Achseln. Erinnerungen an Gespräche, die sie vor langer Zeit mit Barthel in seinem Kabinett geführt hatte, kamen ihr wieder ins Gedächtnis. Der Festungsbaumeister hatte den Namen Kepler das eine oder andere Mal erwähnt. Wie sie sich erinnerte, hatte er voller Ehrfurcht von dem Gelehrten gesprochen. Plötzlich erwachte der brennende Wunsch in ihr, das Buch zu sehen, von dem der Händler sprach.
«Ihr macht mich neugierig, Meister», gab sie widerwillig zu. «Was ist denn so besonders an dem Buch dieses Herrn Kepler?»
Der alte Mann zog den Kopf zwischen seine mageren Schultern wie eine Taube und lachte. «Wie sollte eine hübsche Dame wie Ihr denn etwas von diesen Dingen verstehen», rief er. «Keplers Entdeckungen sind faszinierend. Sie bringen uns gewöhnlichen Sterblichen den Sternenhimmel näher und damit auch Gottes Reich, das sich doch zweifellos irgendwo dort oben befinden muss.» Er deutete in die Höhe. Erschrocken blickte sich Henrika um. Auch wenn Frankfurt den Ruf einer freien Stadt genoss, in der Bücher sämtlichen Inhalts diskutiert anstatt verboten wurden, gab es doch Grenzen. So mancher Messehändler geriet in den Verdacht, sich der Ketzerei schuldig zu machen, und dieser Vorwurf hatte oft ernste Folgen für Leib und Besitz des Betroffenen.
«Ich hoffe, Euer Kepler weiß, was er tut», sagte Henrika. Beinahe ärgerte sie sich darüber, dass der Händler ihre Neugier geweckt hatte. Sie durfte nicht zu lange hier verweilen, denn in kurzer Zeit würden Carolus und Laurenz zurück sein und den Stand für heute abschlagen.
«Keine Sorge, Gnädigste.» Der Buchhändler sah sie vielsagend an. «Die Planetengesetze, die Johannes Kepler in seinem neuen Buch beschreibt, haben nichts mit Ketzerei zu tun. Er führt genaue Beweise für seine Behauptungen an und erklärt, nach welchen Gesetzmäßigkeiten sich die Gestirne am Himmel in Bahnen bewegen. Ich werde Euch das Buch morgen gerne zeigen, meine Liebe. Aber vielleicht darf ich Euch schon jetzt zu einem kleinen Umtrunk einladen? Ich habe das Gewölbe des Hauses, vor dem Ihr steht, für die Dauer meines gesamten Aufenthalts in Frankfurt gemietet.»
Henrika lehnte mit einem entrüsteten Kopfschütteln ab. Was erlaubte sich dieser unverschämte Kerl? Glaubte er tatsächlich, sie mit dem Versprechen, ihr ein Buch zu zeigen, in sein Gewölbe locken zu können? Wortlos ließ sie den Händler stehen.
«Wartet doch», rief der Mann ihr hinterher. «Ich wollte Euch nicht beleidigen. Natürlich zeige ich Euch das Buch auch jetzt gleich, wenn Ihr es wünscht. Ich biete auch noch andere Bücher an, die sich mit den Himmelskörpern befassen.»
Lass mich in Ruhe, dachte Henrika und beschleunigte ihren Schritt. Inzwischen wirkte die Gasse wie ausgestorben. Nur noch wenige Besucher standen
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