Die Meisterin der schwarzen Kunst
die Erlaubnis ab, bei David und Henrika am Büchertisch zu bleiben. Da Carolus noch einen Papierhändler aufsuchen wollte, bei dem sich das Mädchen nur gelangweilt hätte, stimmte er nach kurzem Zögern zu.
«Du wirst Henrika gehorchen», mahnte er zum Abschied. «Hast du verstanden?» Das Mädchen nickte eifrig. Beruhigt machte sich der Drucker auf den Weg zu seiner Verabredung.
Laurenz stand währenddessen reglos neben dem Büchertisch und ließ Henrika nicht aus den Augen. Als sie den Blick hob, lächelte er sie an. «Wir sollten miteinander reden.»
«Was du nicht sagst.»
«Du kannst doch unmöglich böse auf mich sein, nur weil ich dir zeigen wollte, wie sehr ich dich begehre.»
Henrika unterdrückte ein Seufzen. Hastig legte sie die Feder, mit der sie gerade eine Notiz im Bücherverzeichnis geschrieben hatte, zur Seite und verbarg ihre Hände hinter dem Rücken. Laurenz sollte nicht sehen, dass sie zitterten.
«Ich würde dich heute Abend gerne unten am Mainufer treffen, um die Sache aus der Welt zu schaffen.» Ehe sie es verhindern konnte, nahm er ihre Hand und hauchte ihr einen Kuss auf die eiskalten Finger.
«Darf ich hoffen, dass du kommst?»
Henrikas Herz klopfte. Er war nicht gut für sie, das wusste sie auf einmal, und es überraschte sie, wie plötzlich diese Einsicht kam. Gewiss besaß Laurenz Eigenschaften, um die ihn andere Männer beneideten. Er sah gut aus und war viel gewandter als Carolus mit seiner schwerfälligen Art, und er war fröhlicher als David, dessen finstere Miene sie oft auch im wärmsten Sonnenschein frösteln ließ.
Dennoch war er nicht gut für sie. Ließ sie sich auf ein Treffen mit ihm ein, dann nur, um ihm zu sagen, was in ihr vorging. Dass sie ihren Frieden finden wollte, dies aber an seiner Seite niemals schaffen würde. Zumindest das war sie ihm schuldig.
«Beim Angelusläuten könnte ich …»
Doch Laurenz schüttelte den Kopf.
«Ich muss einen wichtigen Auftrag für Meister Carolus ausführen», erklärte er und fügte mit einem Lächeln hinzu: «Dieser Auftrag betrifft in gewisser Weise auch dich. Er wird mich für den Rest des Tages in Anspruch nehmen.»
Henrika verstand nicht. Welcher Auftrag sollte sie betreffen?
Auf ihr Drängen hin verriet Laurenz es ihr, nahm ihr aber das Versprechen ab, mit niemandem darüber zu reden. Er führte sie ein Stück vom Tisch weg, damit David, der sich abmühte, für Barbara einen Helm aus Papier zu falten, ihn nicht hören konnte.
«Du hast gehört, wie de Bry das lieblose Äußere unserer Gazette bemängelt hat?»
Henrika nickte. Dieser Punkt lag ihr schon seit geraumer Zeit auf dem Herzen. Es war nicht leicht, auf die Straßburger Relation aufmerksam zu machen, solange sie in einer derart nüchternen Form gedruckt wurde. Aber sie hatte bislang nicht gewagt, mit dem Drucker darüber zu reden. Auf keinen Fall sollte er denken, dass sie sich in seine Angelegenheiten einmischen wollte.
«Carolus ist auch noch nicht glücklich damit», fuhr Laurenz lächelnd fort. «Aber was soll ich lange um den heißen Brei herumreden. Er möchte die Skizzen, die du gezeichnet hast, künftig als Titelblatt verwenden, und de Bry hat sich bereit erklärt, die Kupferplatte nach deinen Entwürfen anzufertigen.»
Henrika konnte kaum glauben, was sie da hörte. Ihr Entwurf sollte tatsächlich verwendet werden, um die erste Seite der Gazette zu schmücken? Sie errötete vor Freude und konnte sich trotz ihrer Entscheidung, zu Laurenz auf Distanz zu gehen, nur mühsam zurückhalten, ihm um den Hals zu fallen.
«Heute Abend kann ich dir gewiss schon mehr darüber sagen», versprach der junge Mann eifrig.
«Schön, dann eben heute Abend», sagte Henrika. «Aber bitte, Laurenz, versuche nicht noch einmal, mich so zu überrumpeln wie neulich in Straßburg.»
Laurenz’ Lächeln gefror. Er schaute sie kurz an, neigte dann aber betont höflich den Kopf. «Keine Sorge, meine Liebe. Ich weiß inzwischen genau, welche Behandlung du verdienst.»
Barbara wurde es langweilig. Zuerst beklagte sie sich über Hunger und setzte Henrika so lange zu, bis die einen Jungen herbeiwinkte, der köstlich duftende Krapfen mit Zuckerkrümeln verkaufte. Nicht nur für die Drucker und Buchhändler war die Messe ein Ereignis, auch die Schänken und Garküchen der Stadt, die Metzger, Bäcker und Obsthändler kamen auf ihre Kosten.
Kaum war jedoch Barbaras Hunger gestillt, begann sie bereits von neuem zu jammern. Ihr Rücken schmerzte vom vielen Herumstehen. «Ihr
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