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Die Meisterin der schwarzen Kunst

Die Meisterin der schwarzen Kunst

Titel: Die Meisterin der schwarzen Kunst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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was sie in den Augen unserer Gemeinde wert ist. Nämlich weniger als der Dreck unter meinen Nägeln.»
    Henrika hörte die Stimme des Flickschusters nur noch wie aus der Ferne. Ihre Gedanken überschlugen sich. Der Heuboden über ihrem Kopf schien zu schwanken. Auch die Wagenräder, die an Ketten befestigt von der Decke herabhingen, bewegten sich. Das zertretene Stroh auf dem Fußboden wurde von einem heftigen Windstoß erfasst, und die Halme wurden in einem Sog durch die Luft gewirbelt, sodass sie ihr fast den Atem raubten. Henrika hätte schwören können, dass die Halme rot glühten.
    Hunderte, nein tausende winziger Brandmale.
    Wilhelm Bunter zog ein Messer aus seinem Gürtel und trennte einige Maschen des Netzes auf. Dann packte er Henrikas Arm und zerriss den dünnen Stoff ihres Ärmels, ohne sich um den Widerstand des Mädchens zu kümmern. Kurz hielt er inne und besah sein Werk.
    Henrikas rechte Schulter lag entblößt vor ihm.
    Worauf wartet er denn noch, dachte Henrika hasserfüllt. Dass ich ihn um Gnade anflehe? Sie hob den Kopf, so weit sie konnte, um jede Bewegung des Mannes mit den Augen zu verfolgen.
    Nein, diesen Gefallen wollte sie ihm nicht tun. Niemals. Ihre Mutter hatte sich einst ihrem Schicksal gefügt, und so würde sie es auch machen. Henrika stellte sich vor, wie die Mutter dem vermummten Scharfrichter einen Gruß entboten hatte. Das entsprach dem Brauch. Aber einen Kniefall hatte sie gewiss nicht vor ihren Anklägern gemacht. Doch als sie sah, wie Bunter das Brandeisen zur Hand nahm, auf die Glut starrte und sich dann langsam zu ihr niederbeugte, hätte sie ihren Vorsatz beinahe vergessen. Es war nicht der Schmerz, den sie fürchtete. Auch nicht das Wundfieber, wenngleich es ihre Mutter einst getötet hatte.
    Sie wand sich, während Bunter ihr ein schmutziges Tuch über das Gesicht stülpte, und stieß einen schrillen Schrei aus, als er ihre Haut mit dem Eisen berührte. Die Männer brachen in hämisches Gelächter aus. Sonderbarerweise brannte der kurze Schmerz, den sie an ihrem Hals spürte, nicht nach, sondern klang sogleich ab und hinterließ in ihr lediglich das Gefühl von Ohnmacht und Demütigung. Als Bunter das Tuch von ihrem Gesicht nahm, spürte sie, wie einige Tropfen an ihrem Hals hinabliefen.
    Bunter hielt das glühende Eisen in der rechten, einen Eiszapfen in der linken Hand. Einer seiner Freunde musste ihn ihm unbemerkt gereicht haben.
    Der Flickschuster grinste boshaft, während er die Glut des Brandeisens in einem Wasserfass löschte. Henrika begriff, dass die Männer ihr einen grausamen Streich gespielt hatten. Am liebsten wäre sie vor Erleichterung in Tränen ausgebrochen.
    Feuer und Eis. Wie ähnlich sich die beiden Elemente doch anfühlten.
    «Das wird dir hoffentlich eine Lehre sein», sagte Bunter gönnerhaft. Er machte sich nicht die Mühe, Henrika aus dem Netz zu befreien. Stattdessen beugte er sich über sie und berührte ihren Hals erneut mit dem Rest des Eiszapfens.
    «Wir hätten uns auch auf andere Weise amüsieren können, das weißt du doch. Ich habe es dir angeboten. Aber du musstest ja unbedingt die hochmütige Jungfer spielen.» Unvermittelt wurde sein Blick hart. «Wenn ich dir in Zukunft etwas befehle, erwarte ich …»
    Ein Aufschrei vom Eingang der Zollscheune ließ Bunter verstummen. Er wandte sich um und sah, wie sein Freund sich stöhnend den Kopf hielt und gegen die Wand taumelte.
    «Wer zum Teufel ist das?», rief Bunter. Aus dem Schatten neben dem Eingang löste sich die Gestalt eines Mannes, der nicht mehr jung, aber kräftig aussah. Er war wie ein Edelmann gekleidet; um seinen Hals hing eine Schnur, an der eine Tabakspfeife befestigt war.
    Drohend richtete der Fremde seinen Säbel gegen den Schuster.
    «Wer seid Ihr?», wiederholte Bunter, der sich wieder ein wenig gefangen hatte. «Was habt Ihr hier zu suchen?»
    «Da ich meine Hand nur mühsam davon abhalten kann, meinen Säbel durch deinen Wanst zu stoßen, steht es mir zu, Fragen zu stellen», entgegnete der Fremde gelassen. Mit einem einzigen Blick kontrollierte er den Bestand der Truhen und Fässer. Als er Henrika in ihrem Netz entdeckte, hob er erstaunt die Brauen.
    «Ich bin im Auftrag seiner Durchlaucht, unseres gnädigen Kurfürsten, hier», gab der Fremde schließlich Auskunft. «Die höfische Kanzlei vermutet seit langem, dass in den Orten entlang des Rheins Zollgelder und beschlagnahmte Handelsware gestohlen oder zumindest veruntreut werden.» Er deutete auf Henrika. «Wer ist

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