Die Meisterin der schwarzen Kunst
Unterkunft nicht länger als nötig ausdehnen.
Der Mann wies gähnend auf einen Winkel, in dem ein Durcheinander von Lederstücken, Sohlen, Leisten und Nähzeug zu sehen war.
«Na klar bin ich Bunter, hier im Dorf, ich meine, in der Stadt, kennt mich jede Sau.»
Anna rümpfte die Nase. «Das glaube ich dir aufs Wort. Wie es hier riecht, bin ich überzeugt, dass du eine Menge Zeit mit den hübschen Tierchen verbringst.»
Er lachte meckernd. «Und mit wem habe ich das unverhoffte Vergnügen zu später Stunde? Ich hoffe, du hast mich aus einem guten Grund geweckt. Wenn du alt und hässlich wärst, hättest du gleich wieder gehen können.»
Anna reckte provozierend ihr Kinn. Der Schuster entsprach genau dem Bild, das sie sich von ihm gemacht hatte: bullig, verwahrlost und durchtrieben. Einer jener Männer, von denen man im Wirtshaus abrückte, falls sie nicht großzügig die nächste Runde Bier bezahlten. Ein Prahlhans, der große Reden schwang, um seine Nachbarn davon abzulenken, dass er ein Versager war. Die Stadtgründung hatte einige Bauern und Krämer zu reichen Männern gemacht. Zu Männern, die heute am Marktplatz wohnten und nur ungern an die Bauernhäuser zurückdachten, in denen sie noch vor zwei Wintern mit ihrem Vieh gehaust hatten. Wilhelm Bunter gehörte nicht zu ihnen, und der bescheidene Winkel, in dem er Sohlen flickte und Leder zurechtschnitt, erweckte keineswegs den Eindruck, als würde er es jemals zu etwas bringen. Doch genau dieser Umstand machte ihn für Anna interessant. Bunter stand in dem Ruf, geldgierig und ehrgeizig zu sein.
Die Wirtin hat nicht zu viel versprochen, ging es ihr durch den Kopf. Prüfend warf sie einen Blick über die Schulter und vergewisserte sich, dass sie nicht vergessen hatte, beim Eintreten die Tür hinter sich zu schließen. Dann schlug sie den Kragen herunter und nahm den Umhang von ihren Schultern. «Bist du nun zufrieden?»
Bunter bedachte sie mit einem Blick, aus dem Gier und Argwohn sprachen. «Ich kenne Euch», rief er, während er die beiden benutzten Becher mit Branntwein füllte. «Ihr wohnt auch bei diesem Kerl in der Zollschreiberei. Der Bursche treibt es also in seinem Haus mit zwei Weibern. Alle Achtung, das hätte ich dem alten Knochen gar nicht zugetraut.»
«Man erzählt sich, der alte Knochen habe dir einmal empfindlich das Fell gegerbt. Ich kann dafür sorgen, dass deine Erinnerung daran wieder erwacht.»
Bunter hob drohend die Hand, aber er wagte nicht, Anna anzurühren. In diesem Viertel hatten die Wände Ohren, und wenn sie die Nachbarschaft zusammenbrüllte, war er letztendlich der Dumme, den sie an den Pranger ketteten.
Anna wich nicht vor ihm zurück. «Wie ich hörte, hast du die Gutmeisterin nicht sonderlich ins Herz geschlossen?»
Bunter bemühte sich, gleichgültig zu wirken, aber Anna konnte förmlich hören, wie es in seinem Gehirn arbeitete. Er war überrascht, schien jedoch zu begreifen, dass der nächtliche Besuch einer Frau, die unter normalen Umständen niemals einen Fuß über seine Schwelle setzen würde, ihm nützlich sein konnte. Sie schien etwas von ihm zu wollen. Sein Trieb reizte ihn, sie auf sein Bett zu werfen, doch sein Verstand mahnte ihn zur Vorsicht. Schließlich rang er sich durch, ihr eine Antwort zu geben. «Ihr meint das Mündel des Hutmachers? Nein, die kann ich nicht ausstehen, diese Hexe. Glaubt, sie sei etwas Besseres, dabei lässt sie nicht einmal mehr ihre Pflegemutter ins Haus. Hat sie dem Festungsbaumeister noch keine schönen Augen gemacht? Das wird noch kommen. Vor mir hat sie sich schon mal entblößt, hat darum gebettelt, dass ich sie mit dem glühenden Eisen quäle. Weiß der Teufel, warum der Kerl sie duldet.»
«Ihr redet von meinem Onkel», sagte Anna streng. Sie nahm Bunter den Becher aus der Hand und schnupperte. Der scharfe Geruch des Branntweins wirkte belebend auf ihre Sinne. Der erste Schluck brannte ihr noch in der Kehle wie ein loderndes Torffeuer, doch schon der nächste spülte den letzten Rest an Skrupeln fort, die sich noch in ihr regten; nun erschien ihr nicht einmal mehr die Stube des Schuhmachers so abstoßend.
«Dann seid Ihr also nicht scharf auf den Baumeister? Verzeihung, Euren Onkel?»
«Unsinn. Schweig jetzt, du Idiot, und hör mir zu. Mein Verwandter will Henrika Gutmeister ein wertvolles Geschenk machen. Sie wird reich werden, vielleicht sogar einflussreich. Mächtig genug, um sich an alle zu erinnern, die ihr hier im Dorf jemals übel mitgespielt haben.»
«Glaubt
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