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Die Meisterin der schwarzen Kunst

Die Meisterin der schwarzen Kunst

Titel: Die Meisterin der schwarzen Kunst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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echt sein.
    Anna schnappte nach Luft. Ratlos starrte sie auf das Papier. Nun wusste sie, warum Henrika den kleinen Landbesitz mit dem See bekommen sollte. Doch bevor sie das zuließ, würde die Hölle einfrieren.
    Nach einer Weile rollte sie das Schriftstück wieder zusammen und legte es zurück an den Ort, wo sie es gefunden hatte. Ihr Herz klopfte schnell, als ihr bewusst wurde, dass sie nun das Mittel zur Hand hatte, um sich an Barthel für seine Unverfrorenheit zu rächen. Nur seine Hure konnte ihr noch gefährlich werden. Was hatte die überhaupt noch hier zu suchen? Jedermann im Ort verabscheute sie, fürchtete ihren Blick. Die Tochter einer gebrandmarkten Übeltäterin galt als Unglücksbotin.
    Als Prophetin des Unheils, die niemand haben wollte.
    Lautlos stahl sich Anna aus der Zollschreiberei und durchquerte den verwaisten Hof. Der Schein einer Laterne zauberte ihren Schatten auf den staubigen Boden, aber sie kümmerte sich nicht darum. Eilig lief sie durch die menschenleeren Straßen der schlafenden Stadt, ließ Kirche und Rathaus links liegen und schlug den mit Kies aufgeschütteten Weg zur Neckarpforte ein, der in die neue Siedlung zum jungen Busch führte. Die Beschreibung, die ihr die Wirtin gegeben hatte, war zutreffend; Anna fand das Haus, das sie suchte, auf Anhieb. Es war nicht kleiner als die benachbarten Gebäude, wirkte jedoch schäbiger. Langsam schritt sie auf das kleine Haus zu. Aus einem angrenzenden Schuppen, vor dem eine kleine Hobelbank stand, drang ein wütendes Fauchen. Anna stockte. Noch einmal glitt ihr Blick über die Neckarpforte, hinter welcher der Fluss vor sich hin murmelte. Zweige knackten; ein Nachtvogel schrie auf. Anna biss sich auf die Unterlippe, bis sie Blut schmeckte. Sie verspürte zwar keine Angst, aber das Gefühl, eine Torheit zu begehen, ließ sie zögern.
    Hatte die Baumwirtin ihr das richtige Haus beschrieben? Sie konnte nur hoffen, dass die Frau ihre Drohung verstanden und ihr keinen Unsinn erzählt hatte. Niemand antwortete auf ihr Klopfen, aber die Tür war nicht verriegelt. Der Bewohner des Hauses schien sich wenig um seinen Besitz zu scheren, vielleicht, weil es hier nichts zu holen gab, was einen Dieb interessierte.
    In der Stube roch es nach fauligem Stroh, schalem Bier und ungewaschenen Leibern. Neben heruntergebrannten Kerzen, Lederstreifen und Brotkrümeln stapelte sich schmutziges Holzgeschirr. Zwei Becher und eine Kanne aus Ton deuteten ferner darauf hin, dass der Mann, der hier wohnte, noch vor kurzem einen Gast bewirtet haben musste. Die Herdstelle, hinter der sich eine von Ruß geschwärzte Schräge mit einem Kamin erhob, war zwar erkaltet, aber auf dem breiten Sims flackerte eine Tranfunzel, die den Raum in ein fahles Licht tauchte.
    Annas Blick fiel auf ein Kastenbett, das zur Hälfte von einem zerrissenen Vorhang verdeckt wurde. In dem Bett schnarchte ein Mann. Anna schlug den Kragen ihres Umhangs hoch, dann trat sie an das Bett und beugte sich über den Schlafenden. Als sie die Hand ausstreckte, um ihn an der Schulter zu berühren, schlug der Mann die Augen auf. Im selben Augenblick schnellte seine rechte Hand hoch und packte Anna hart am Kragen. «Wer zum Teufel bist du, und was hast du hier zu suchen?», stieß er hervor.
    Anna war zu verblüfft, um sich zu wehren. Mit einem erstickten Laut ließ sie sich von ihm ins Helle ziehen. Als er sah, dass er eine Frau vor sich hatte, gab er ihr einen Stoß, der sie unsanft auf den Fußboden beförderte.
    «Hol mich der Teufel», keuchte er und blies Anna eine Wolke sauren Atems entgegen. «Könnt ihr Weiber denn nie von mir genug kriegen? Grade eben strampelte doch noch die kleine Magd vom Hirsemüller auf meinem Laken.»
    Vor Wut knirschte Anna mit den Zähnen. Sie konnte sich kaum vorstellen, dass eine Frau freiwillig dieses Loch betrat, aber vielleicht hatte der Kerl das Mädchen mit Versprechungen in sein Haus gelockt. Nun, das war unwichtig. Mochte sich der Kerl in seiner Behausung mit hundert Huren vergnügen, das ging sie nichts an. Solange er das tat, was sie ihm auftragen würde.
    «Bist du der Dorfschuhmacher Bunter?»
    Der Mann musterte Annas schlanke Gestalt, dann schnaubte er und stapfte auf bloßen Füßen über den Eichenboden. Neben der Feuerstelle ergriff er einen Krug mit Wasser und leerte ihn prustend über seinen Kopf.
    «Willst du mir nicht antworten?», sagte Anna gereizt. Auch wenn der Schuhmacher nicht mehr so streng roch wie zuvor, wollte sie ihren Besuch in seiner schäbigen

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