Die Meisterin der schwarzen Kunst
Ihr, ich habe Angst vor dem kleinen Biest?», brummte Bunter böse.
Anna lächelte. «Gewiss nicht. Aber sicher wirst du nichts dagegen haben, dir ein paar Gulden zu verdienen. Ich werde den Baumeister daran hindern, sein Vorhaben in die Tat umzusetzen. Doch dafür brauche ich die Hilfe eines Mannes, der schweigen kann und sich nicht fürchtet.»
Skeptisch schüttelte der Schuhmacher den Kopf. «Ihr kennt mich doch gar nicht. Woher wollt Ihr wissen, ob Ihr mir vertrauen könnt, und wie soll ich wissen, dass Euch nicht die Gutmeisterin, dieses nachtragende Biest, schickt, um mir das Leder zu gerben? Zum Teufel, es war doch nur ein Spaß, damals in der Zollscheune. Hat sie Euch das nicht erzählt?»
Anna runzelte die Stirn. Der Kerl stank nicht nur wie ein Ziegenbock, er war auch noch begriffsstutzig. Aber das allein war nicht weiter tragisch; sie kannte ein Mittelchen, das selten versagte. Es anzuwenden, würde sie bei Bunter einige Überwindung kosten, aber wenn er tat, was sie von ihm verlangte, würde sie das für jede Unannehmlichkeit entschädigen. Hastig leerte sie den Becher, dann begann sie mit flinken Bewegungen die Schnüre ihres Mieders zu lösen.
10. Kapitel
Henrika fühlte sich seit Tagen nicht wohl. Das erschreckte sie, denn sie war seit ihrer Kindheit nicht mehr krank gewesen. Seit der Abreise der Straßburger litt sie unter quälenden Kopfschmerzen und einer sonderbaren Unruhe, die ihre Glieder schwer machte und sie abends vollkommen erschöpft ins Bett fallen ließ.
Die Nächte waren jedoch kaum friedvoller als die Tage. Sie lauschte auf die Schläge der Kirchturmuhr und betete um Schlaf, der aber ausblieb. Morgens quälte sie sich aus den Federn und wankte ermattet die Treppe hinunter. Schließlich gestand sie sich ein, was sie bereits seit langem vermutete: Es war keine körperliche Krankheit, die sie plagte.
Sie hatte sich verliebt. Ja, so musste es sein. Immer wieder geisterte das Bild des lachenden Laurenz Schlüssel durch ihren Kopf. Bei dem Gedanken, wie er ihre Hand genommen und sie angesehen hatte, drohte ihr Herz jedes Mal beinahe zu zerspringen.
Barthel reagierte auf die Veränderungen, die er an Henrika beobachtete, mit Besorgnis und ermahnte sie, sich mehr Ruhe zu gönnen. Doch letzten Endes war er viel zu beschäftigt mit dem Bau der Festung, um sich mit ihr zu befassen. Henrika indessen traute sich nicht, ihm zu erklären, wie aufregend sie die Arbeit des Druckermeisters fand. Auch fehlte ihr der Mut, ihn um Erlaubnis zu bitten, sie nach Straßburg reisen zu lassen, damit sie die Entstehung der neuen Zeitung aus der Nähe verfolgen konnte. Barthel kannte ihren Eifer und förderte ihren Wissenshunger nach Kräften. Doch diesen Wunsch würde er ihr nicht erfüllen. Es war unmöglich. Besser, sie schlug sich die Idee gleich wieder aus dem Kopf.
Barthel hatte ein Fachwerkhaus an der Neckarbrücke gemietet. Dort oben konnte er die Arbeit am Mauerwerk der Zitadelle besser beaufsichtigen als von der abgelegenen Zollschreiberei aus, und er war rascher zur Stelle, wenn es darum ging, sich mit Handwerksmeistern über Probleme zu beraten. Die Räume des Brückenanwesens waren zudem ideal für die Lagerung der Güter, die Meister Carolus aus Flandern anliefern ließ. Wenig später fand eine funkelnagelneue Druckerpresse ihren Weg in das Haus auf der Brücke.
Henrika freute sich, dass Barthel sein Versprechen gehalten hatte, die Straßburger zu unterstützen. Es wurde auch höchste Zeit, denn inzwischen war die Stadt von einem heftigen Wintereinbruch überrascht worden. Innerhalb weniger Tage lag der Schnee so hoch, dass die Festungsarbeiter sich mit Schaufeln ihren Weg zu den Baustellen bahnen mussten. Die kurfürstlichen Soldaten fluchten auf den Straßen, die mit einer spiegelglatten Eisschicht überzogen waren. Allein die Kinder freuten sich; auf den verschneiten Wiesen vor der Stadt herrschte ein munteres Treiben mit Schlittenfahrten und Schneeballschlachten.
Henrika kümmerte die plötzliche Kälte wenig. Barthel hatte dafür gesorgt, dass der Vorratskeller in der Zollschreiberei mit Mehl, Bohnen, Erbsen und getrocknetem Obst gefüllt wurde, sodass niemand befürchten musste, während des grimmigen Winters Not zu leiden. Dennoch machte sich im Haus eine bedrückende Stimmung bemerkbar. Anna schien etwas auszubrüten; sie verließ ihre Schlafkammer nur noch selten. Der Baumeister wartete auf Nachrichten vom kurfürstlichen Hof, die aber des schlechten Wetters wegen ausblieben.
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