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Die Meisterin der schwarzen Kunst

Die Meisterin der schwarzen Kunst

Titel: Die Meisterin der schwarzen Kunst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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wird dir nichts nützen, denn man würde die Spuren im Schnee entdecken. Aber wenigstens befinden sich in den Satteltaschen noch ein paar brauchbare Dinge.»
    «Wieso tust du das alles für mich?» Henrika machte einen Schritt zurück. «Mag ja sein, dass du nicht mit ansehen wolltest, wie der Schuhmacher mich … Aber ich verstehe trotzdem nicht, wie du hierherkommst. Als ich vor Tante Elisabeths Haus stand, habt ihr mich nicht einmal anhören wollen.»
    Agatha Hahn sah ihr einstiges Mündel eindringlich an. «Elisabeth wird von diesem Satansbraten, mit dem du lieber deine Zeit verbringen wolltest als mit gottesfürchtigen Menschen, unter Druck gesetzt. Wegen Lutz. Ich beobachte dieses Weibsstück schon eine ganze Weile, aber ich durfte nicht wagen, etwas gegen sie oder gegen Elisabeths Willen zu unternehmen. Schließlich hat sie mich aufgenommen. Nachdem du heute Abend vergeblich um Einlass gebeten hattest, wartete ich, bis Elisabeth schlief, dann lief ich hinüber zur Zollschreiberei. Dich habe ich dort zwar nicht mehr erwischt, dafür aber ein aufschlussreiches Gespräch zwischen dem Schuhmacher und dieser schrecklichen Person mit angehört. Es war nicht schwer, Bunters Spuren zu folgen. Aber nun müssen wir verschwinden, bevor uns doch noch jemand aus der Stadt entdeckt. Du wirst nämlich gesucht.»
    Henrika nickte. Auch wenn sie so erschöpft war, dass sie am liebsten nicht mehr aufgestanden wäre, wusste sie doch, dass sie hier nicht länger verweilen durfte. Agatha verschwand und kehrte eine Weile später mit zwei verschnürten Ledertaschen zurück. Henrika würgte einen Kloß in ihrer Kehle hinunter, als ihr Blick auf sie fiel. Die Taschen hatten Barthel gehört. Getrieben von einer rätselhaften Unrast, hatte der Baumeister stets dafür Sorge getragen, dass seine Satteltaschen mit allem ausgerüstet waren, was für eine unvorhergesehene Reise nötig war. Henrika fand es nicht richtig, sie einfach an sich zu nehmen, aber da es um ihr Leben ging, öffnete sie eine von beiden. Sie entdeckte ein kleines Messer, mit dem sie die Vertäuung des Kahns lösen konnte. «Also dann, nichts wie fort von hier», brummte Agatha. Zu Henrikas Überraschung bestand Agatha Hahn darauf, sie zu begleiten.
    Die beiden Frauen vergewisserten sich hastig, dass das kleine Boot während der vergangenen Monate tatsächlich nicht leck geschlagen war, dann ließ Henrika die Hutmacherin einsteigen, stieß sich mit letzter Kraft vom Pfahl des verwitterten Stegs ab und nahm das Ruder zur Hand. Sie musste aufpassen, damit sie in Ufernähe blieb und nicht hinaus, in die Mitte des Stroms, abgetrieben wurde.
    Der kleine Kahn tanzte alsbald auf den schwarzen Wellen wie eine Nussschale, und wenig später lag die Uferböschung hinter ihnen. Die Strömung trieb sie flussabwärts. Agatha, die einen gehörigen Respekt vor dem nassen Element hatte, seufzte tief. Sie klammerte sich mit beiden Händen am Sitzbrett fest und murmelte unablässig Gebete und Psalmen vor sich hin, während Henrika es sich nicht verkneifen konnte, einen letzten Blick auf die Mauern der Stadt zu werfen, die sie nun endgültig verließ.
    Das Schneetreiben hatte nachgelassen. Trotz der Dunkelheit konnte Henrika die Umrisse einiger zerfallener Türme erkennen. Sie gehörten zur alten Eichelsheimer Burg, in deren Nischen im Frühling Rauchschwalben und Dompfaffen ihre Nester bauten. Gemeinsam mit Lutz war sie so manchen Sommer zwischen den zerklüfteten Mauervorsprüngen herumgeklettert. Doch das lag eine Ewigkeit zurück. Die Vögel würden wieder zurückkehren, sie nicht. Gemächlich glitt der Kahn an den Flügeln der Kornmühle vorbei. Das Flämmchen einer Öllampe flackerte in einem der Fenster, um Fischern und Flussschiffern den Weg zu weisen.
    Henrika verspürte das Bedürfnis, am Ufer anzulegen. Ihr Magen knurrte, und der Schwindel in ihrem Kopf drohte sie wieder zu ergreifen. Doch sie wusste, dass dies ein unverzeihlicher Leichtsinn gewesen wäre, für den Agatha sie nur gescholten hätte.
    Nachdem etwa eine halbe Stunde vergangen war, zupfte Agatha sie schließlich am Ärmel. «Siehst du die lange Baumreihe und dahinter die Zäune?»
    Henrika runzelte die Stirn, zuckte aber nur mit den Schultern. Sogleich tauchte sie das Ruder ein.
    «Dort drüben, an der krummen Brücke, da kannst du anlegen.»
    Henrika riss überrascht die Augen auf. Als sie der Richtung folgte, in die Agatha gezeigt hatte, sah sie nicht weit vom Ufer entfernt einen Hof. Er war von einer Mauer aus

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