Die Meisterin der schwarzen Kunst
es sogar geschafft, unter Handwerkern und Patriziern Verbündete zu werben und Parteien zu bilden, wovon auch der Rat nicht unbeeinflusst blieb. Niemand, nicht einmal der Stettmeister, mochte es sich mit den Zorns verderben. Doch die Entscheidung, welcher der beiden Linien man nachfolgte, war nicht leicht zu fällen und führte oft zu Zerwürfnissen innerhalb anderer Familien.
Carolus hatte immer großen Wert darauf gelegt, sich auf keine der beiden Seiten ziehen zu lassen, daher war es ihm unbegreiflich, wieso sich Waldemar Zorn so sehr für ihn und seine geschäftlichen Belange interessierte. Hoffte der Ratsherr, dass sein Unternehmen scheiterte? Befürchtete er etwa, Macht einzubüßen, wenn die Gazette erst einmal ihren Siegeszug durch Straßburg angetreten hatte? Nun, Carolus hatte es mit vielen Gegnern aufnehmen müssen, seit er das Rathaus vor drei Jahren zum ersten Mal als Antragsteller betreten hatte. Das Privileg, das man ihm schließlich nach zähen Verhandlungen mit Brief und Siegel erteilt hatte, war auch nicht gerade dem Einlenken des alten Waldemar zu verdanken gewesen, sondern vielmehr einem Fieberanfall, der den Alten ganz plötzlich aufs Krankenlager geworfen hatte. Böse Zungen behaupteten, das Fieber sei wie gerufen gekommen, was Carolus mit Sorge erfüllte. Glücklicherweise hatte er einige Freunde in der Stadt, die für seinen guten Namen bürgten. Niemals hatte jemand offen den Verdacht geäußert, der Drucker oder ein Angehöriger seiner Familie könnte mittels eines Giftes oder gar magischer Beschwörungen nachgeholfen haben, um sich des unbequemen Ratsherren zu entledigen. Wenn überhaupt, so hatte man diesen Verdacht den missgünstigen Verwandten gegenüber gehegt.
«Antwortet dem Ratsherrn!» Seidenbergs mahnende Stimme riss Meister Carolus aus seinen Gedanken. Doch bevor er etwas sagen konnte, ergriff auch schon David das Wort. Er konnte seine Wut über die Behandlung, die man seinem Freund und Gönner in dieser Runde angedeihen ließ, kaum noch zügeln.
«Meister Carolus hat in Flandern eine Druckerpresse kaufen lassen. Sie wurde von einem Geschäftsfreund, der in der Nähe von Heidelberg den Bau der neuen Festung am Rhein beaufsichtigt, finanziert», erklärte er. «Ist das etwa verboten? Muss ein Kaufmann neuerdings die Erlaubnis des Rats einholen, mit wem er Geschäfte abschließt und mit wem nicht? Dann könnte er sich ja gleich von der nächsten Brücke in die Breusch stürzen, denn gegen so viele Angehörige der Kaufmannsgilde oder der städtischen Zünfte, wie sie im Rat vertreten sind, könnte er niemals ein Gesuch durchsetzen.»
«Was erlaubt sich dieser Grünschnabel?», ereiferte sich Waldemar Zorn. Auch andere Ratsherren gaben Unmutsbekundungen von sich oder verlangten, den Gesellen des Druckers hinauswerfen zu lassen. Nur Jeremias Zorn lächelte. Zweifellos freute es den jungen Ratsherrn, dass jemand es gewagt hatte, seinem greisen Verwandten die Stirn zu bieten. Doch das würde David wenig nützen. Und noch weniger dem armen Carolus, der hilflos die Hand hob, um die schimpfenden Ratsherren zu beschwichtigen.
«Es ist doch noch gar nicht gesagt, ob uns die Gazette des Druckers Ärger bringt», erklärte Jeremias Zorn schließlich, nachdem der Ratsschreiber für Ruhe gesorgt hatte. «Vor drei Jahren waren wir immerhin der Meinung, dass eine Zeitung Straßburg gute Dienste erweisen könnte, ansonsten hätten wir dem Drucker kein Privileg erteilt.»
« Ich habe niemals meine Zustimmung gegeben», rief Waldemar Zorn erbost.
«Auf die kam es damals schon nicht an, und daran hat sich auch nichts geändert.» Jeremias Zorn übersah die drohende Faust, die gegen ihn erhoben wurde, und wandte sich dem Bürgermeister zu. «Ich wäre geneigt, dem Ersuchen von Meister Carolus stattzugeben und ihm zu erlauben, seine Kuriere zu entsenden, wohin er möchte. Allerdings nur, solange er ihnen einschärft, dass sie nicht im Auftrag der Stadt Straßburg reisen, sondern allein auf sich gestellt sind. Das heißt, ohne beglaubigte Papiere und, was wichtiger ist, ohne Bewaffnete, die das Wappen der Stadt auf ihrer Brust tragen. Erreichen die Männer ihr Ziel, sind sie verpflichtet, sich aus den Angelegenheiten anderer Städte herauszuhalten und auch in Gefahr nicht zu verraten, in wessen Diensten sie stehen.»
«Die Niederlande befinden sich seit Jahren im Krieg gegen die Habsburger», warf Ratsschreiber Seidenberg besorgt ein. «Es wäre ein Wagnis, sich dort einzumischen. Aber nicht nur
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