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Die Memoiren des Grafen

Die Memoiren des Grafen

Titel: Die Memoiren des Grafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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zusammenzuarbeiten, und ich konnte nicht verstehen, weshalb er nicht auftauchte.»
    «Ich muss mich wirklich entschuldigen», gab Lemoine zu. «Sehen Sie, ich traf am Morgen nach dem Mord hier ein, und es schien mir besser, der Angelegenheit als Privatmann nachzugehen, ohne offiziell als Ihr Kollege aufzutreten. Ich glaubte, dass darin größere Möglichkeiten lägen. Natürlich war mir klar, dass ich mich dadurch verdächtig machte; meinen Plänen jedoch konnte es nur förderlich sein, wenn der Verbrecher eben deshalb weniger auf der Hut zu sein brauchte. Ich kann Ihnen versichern, dass ich während der letzten beiden Tage recht interessante Beobachtungen machte.»
    «Aber», fuhr Bill dazwischen, «was geschah denn eigentlich in der vergangenen Nacht?»
    «Ich bedaure», lächelte Mr Lemoine, «dass ich Sie derart in Atem hielt.»
    «Demnach habe ich Sie verfolgt?»
    «Richtig. Ich werde Ihnen die Sache erklären. Ich kam hierher, um zu wachen, denn ich war überzeugt, dass das Geheimnis mit diesem Zimmer zu tun hatte, weil Fürst Michael hier ermordet wurde. Ich stand draußen auf der Terrasse. Plötzlich bemerkte ich, dass sich etwas im Raum bewegte. Hin und wieder konnte ich den Schein einer Taschenlampe sehen. Ich versuchte, die mittlere Balkontür zu öffnen, und merkte, dass sie nicht fest verschlossen war. Ob der Mann auf diesem Weg eingedrungen war oder ob er sie für eine rasche Flucht vorbereitet hatte, das weiß ich nicht. Ganz leise schob ich die Tür auf und schlüpfte in das Zimmer. Schritt für Schritt tastete ich mich bis zu einer Stelle vor, von der aus ich ihn beobachten konnte, ohne selbst gesehen zu werden. Ich vermochte den Mann nicht zu erkennen, denn er drehte mir den Rücken zu, und ich sah nur seine Silhouette im Licht der Taschenlampe. Aber seine Tätigkeit überraschte mich. Er zerlegte erst die eine, dann die andere Rüstung in ihre Bestandteile und untersuchte jedes Stück auf das genaueste. Als er sicher war, dass sich das Gesuchte nicht dort befand, begann er, die Wand unterhalb dieses Gemäldes abzuklopfen. Was daraus geworden wäre, weiß ich nicht, denn da platzten Sie herein –» Er blickte zu Bill hinüber.
    «Unser gut gemeintes Dazwischentreten war bedauerlich», sagte Virginia nachdenklich.
    «In gewissem Sinne, ja. Der Mann machte sein Licht aus, und da ich meine Identität nicht preisgeben wollte, sprang ich durch die Balkontür. Mr Eversleigh hielt mich für den Einbrecher und rannte mir nach.»
    «Ich folgte Ihnen zuerst», lächelte Virginia. «Bill kam erst als Zweiter ins Rennen.»
    «Und inzwischen war der andere Kerl klug genug, sich still zu verhalten und dann durch die Tür zu entwischen. Ich wundere mich bloß, dass er nicht von den anderen entdeckt wurde.»
    «Das war weiter nicht schwierig für ihn», erklärte Lemoine. «Er brauchte bloß als Erster der Helfer einzutreffen, das war alles.»
    «Glauben Sie wirklich, dass sich dieser Arsène Lupin unter den Hausbewohnern befindet?», fragte Bill.
    «Warum nicht?», gab Lemoine zurück. «Er konnte ohne weiteres einen der Dienstboten darstellen. Er mag zum Beispiel Boris sein, der Diener von Fürst Michael.»
    «Das ist ein eigentümlicher Bursche», stimmte Bill zu.
    Aber Anthony lächelte. «Das ist Ihrer nicht würdig, Monsieur Lemoine», sagte er liebenswürdig.
    Der Franzose gab das Lächeln zurück.
    «Sie haben ihn in Ihren Dienst genommen, nicht wahr, Mr Cade?», fragte Inspektor Battle.
    «Battle, ich ziehe den Hut vor Ihnen. Sie wissen wirklich alles. Aber um genau zu sein: Er hat mich angenommen, nicht ich ihn.»
    «Und weshalb das, Mr Cade?»
    «Ich weiß es wirklich nicht», sagte Anthony leichthin. «Scheint ein Sonderling zu sein, aber vielleicht hat ihm mein Gesicht besonders gefallen. Oder er vermutet, dass ich seinen Herrn umgebracht habe, und hofft, dadurch eine günstige Gelegenheit für seine Rache zu erhalten.»
    Er stand auf und ging zu den Fenstern hinüber.
    «Morgengrauen», meinte er mit unterdrücktem Gähnen. «Jetzt wird es wohl keine Aufregungen mehr geben.»
    Lemoine erhob sich ebenfalls. «Ich verlasse Sie jetzt. Aber vielleicht werden wir uns im Laufe des Tages wiedertreffen.»
    Mit einer liebenswürdigen Verneigung in Richtung Virginia schritt er durch die Balkontür hinaus.
    «Bett!», seufzte Virginia gähnend. «Das war eine aufregende Nacht! Bill, gehen Sie auch schlafen.»
    Anthony blieb am Fenster stehen und blickte der entschwindenden Gestalt von M. Lemoine nach.
    «Sie

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