Die Memoiren des Grafen
Wynwood hatte daraus eine kurze, geschäftliche Mitteilung gemacht.
Operation erfolgreich beendet, aber S. funkte dazwischen. Hat Stein aus dem Versteck genommen. Nicht in seinem Zimmer. Habe gesucht. Fand folgenden Zettel, der sich wahrscheinlich da r auf bezieht: Richmond sieben vorwärts, acht links, drei rechts.
«S?», sagte Anthony. «Natürlich Stylptitch. Schlauer, alter Bursche. Hat einfach das Versteck gewechselt.»
«Richmond» murmelte Virginia. «Sollte sich das Juwel in Richmond befinden?»
«Richmond ist ein bevorzugter Aufenthaltsort für Königliche Hoheiten», bestätigte Anthony.
Battle schüttelte den Kopf.
«Kaum denkbar. Ich nehme an, dass damit eine Stelle hier im Hause gemeint ist.»
«Ich weiß!», rief Virginia plötzlich aufgeregt.
Beide Männer starrten sie an.
«Das Holbein-Porträt im Ratssaal. Sie haben die Wand darunter abgeklopft. Es ist ein Bildnis des Earl of Richmond.»
«Das muss es sein!», rief Battle und schnippte mit den Fingern. «Das Bild ist der Ausgangspunkt, und die Einbrecher wissen darüber nicht mehr als wir. Die beiden Geharnischten stehen direkt unter dem Gemälde, und die Kerle glaubten zuerst, der Stein sei in einer der Rüstungen versteckt. Als sich das als Irrtum erwies, dachten sie an einen Geheimgang oder eine versteckte Treppe und ein Gleitpaneel. Ist Ihnen etwas dergleichen bekannt, Mrs Revel?»
Virginia schüttelte den Kopf.
«Es gibt ein Verlies und mindestens einen Geheimgang, das weiß ich. Man hat sie mir einmal gezeigt, aber ich erinnere mich nicht mehr daran. Da kommt Bundle, sie wird es genau wissen.»
Bundle kam ihnen rasch über die Terrasse entgegen.
«Nach dem Essen fahre ich in die Stadt», bemerkte sie. «Möchte jemand mitkommen? Wie wäre es mit Ihnen, Mr Cade? Wir sind zum Abendbrot zurück.»
«Nein, danke», entgegnete Anthony. «Ich bin ganz glücklich hier – und sehr beschäftigt.»
«Der Mann hat Angst vor mir», sagte Bundle. «Entweder vor meiner Fahrkunst oder vor meinem betörenden Zauber. Welches von beiden gilt?»
«Das letztere selbstverständlich», lachte Anthony.
«Liebe Bundle», warf Virginia dazwischen, «gibt es nicht einen Geheimgang vom Ratssaal aus ins Freie?»
«Sicher. Aber er ist ganz zerfallen. Ursprünglich soll er von Chimneys bis in die Abtei geführt haben, aber der größte Teil ist jetzt eingestürzt, und man kann ihn vom Ratssaal aus nur noch etwa hundert Meter begehen. Der andere Geheimgang im ersten Stockwerk ist viel amüsanter, und das Verlies ist gar nicht übel.»
«Uns interessiert es nicht vom künstlerischen Standpunkt aus», erläuterte Virginia. «Wie gelangt man in den Geheimgang des Ratssaals?»
«Eines der Paneele dreht sich. Wenn Sie wollen, kann ich es Ihnen nach dem Essen zeigen.»
«Besten Dank», mischte sich Inspektor Battle ein. «Sagen wir um halb drei Uhr?»
Bundle betrachtete ihn mit hochgezogenen Brauen.
«Die Einbrechergeschichte?», erkundigte sie sich.
Tredwell erschien auf der Terrasse:
«Es wäre angerichtet, Mylady.»
23
U m halb drei Uhr traf sich die kleine Truppe im Ratssaal: Bundle, Virginia, Battle, Lemoine und Anthony.
«Es hat keinen Sinn zu warten, bis wir Mr Lomax finden», erklärte Battle. «Wir müssen so rasch wie möglich handeln.»
«Falls Sie glauben, Fürst Michael sei von einem Eindringling getötet worden, der durch diesen Gang kam, dann irren Sie sich», sagte Bundle. «Das ist völlig ausgeschlossen, denn das andere Ende ist verschüttet.»
«Darum handelt es sich nicht, Mylady», fiel Lemoine rasch ein. «Unsere Suche gilt etwas ganz anderem.»
«Doch nicht etwa dem historischen Dingsda?», fragte Bundle mit großen Augen.
Lemoine machte ein erstauntes Gesicht.
«Was verstehst du darunter, Bundle?», fragte Virginia. «Erkläre dich bitte näher.»
«Dieser historische Stein, der gestohlen wurde, als ich noch jung und dumm war.»
«Wer hat Ihnen davon erzählt, Lady Eileen?», erkundigte sich Battle.
«Ach, das weiß ich seit ewigen Zeiten. Einer der Diener sagte es mir, als ich etwa zwölf war.»
«Ein Diener!», rief Battle aus. «Guter Gott! Schade, dass Mr Lomax das nicht gehört hat.»
«Ist das wieder eines der sorgfältig gehüteten Geheimnisse von George?», fragte Bundle. «Das ist ja zum Schreien! Übrigens habe ich nie an die Geschichte geglaubt. George ist doch immer der gleiche Esel – er sollte wirklich wissen, dass man vor Dienern nichts verbergen kann.»
Sie ging zum Holbein-Porträt
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