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Die Memoiren des Grafen

Die Memoiren des Grafen

Titel: Die Memoiren des Grafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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geschlossen, aber Bundle zeigte ihnen, wie es sich von der Innenseite aus öffnen ließ. Als erste sprang sie geräuschvoll in den Ratssaal.
    «Verdammt!», erklang es aus einer Ecke. Lord Caterham fuhr aus einem Lehnstuhl auf, in dem er anscheinend sein Mittagsschläfchen gehalten hatte.
    «Armer alter Papa, habe ich dich erschreckt?»
    «Ich begreife nicht, wieso sich heutzutage kein Mensch mehr ruhig hinsetzen kann. Chimneys ist doch wahrhaftig groß genug, aber selbst hier gibt es keinen Raum, wo man Ruhe finden kann. Lieber Himmel, wer kommt denn da alles? Erinnert mich an die Pantomimen, die ich als kleiner Junge sah und wo ganze Horden von Dämonen aus der Unterwelt auftauchten.»
    «Dämon Nummer fünf», lächelte Virginia, indem sie zu ihm trat. «Seien Sie nicht böse. Wir machen nur Entdeckungsreisen durch Geheimgänge, das ist alles.»
    «Heute scheint große Nachfrage nach Geheimgängen zu bestehen», brummte Lord Caterham, noch nicht völlig besänftigt. «Den ganzen Morgen musst ich diesen Fish in ihnen herumführen.»
    «Wann war das?», unterbrach Battle hastig.
    «Kurz vor dem Lunch. Hat anscheinend etwas über den Gang hier gehört. Ich zeigte ihn ihm, und dann führte ich ihn auch noch zur weißen Galerie und zum Verlies. Seine Begeisterung ließ rasch nach, und schließlich langweilte er sich zu Tode. Aber er musste durchhalten.» Lord Caterham schüttelte sich vor Lachen.
    Anthony legte seine Hand auf Lemoines Arm.
    «Kommen Sie hinaus», flüsterte er, «ich möchte mit Ihnen sprechen.» Die beiden Männer gingen durch die Balkontür ins Freie. In sicherer Entfernung vom Haus zog Anthony das Stückchen Papier heraus, das Boris ihm am Morgen gegeben hatte.
    «Haben Sie das verloren?», fragte er.
    Lemoine nahm den Zettel und betrachtete ihn interessiert.
    «Nein», sagte er, «ich habe das noch nie gesehen. Weshalb fragen Sie?»
    Anthony wiederholte, was Boris ihm gesagt hatte. Der andere hörte mit gespannter Aufmerksamkeit zu.
    «Nein, ich habe es bestimmt nicht verloren. Sie sagen, er hat es in dem kleinen Gehölz gefunden?»
    «Ich nahm es an, aber er hat das nicht so genau gesagt.»
    «Vielleicht ist es aus dem Koffer von Mr Isaacstein herausgefallen. Fragen Sie doch Boris noch einmal.» Er reichte Anthony den Zettel zurück. Dann fragte er nach kurzem Nachdenken: «Was wissen Sie eigentlich über diesen Boris?»
    «Ich weiß nur, dass er der vertraute Diener von Fürst Michael war.»
    «Sie sollten sich darüber vergewissern. Erkundigen Sie sich doch bei Baron Lolopretjzyl. Vielleicht ist der Mann erst vor kurzem angestellt worden. Ich persönlich möchte ihn für echt halten, aber kann man wissen? König Victor ist durchaus imstande, sich im Handumdrehen in einen glaubhaften Diener zu verwandeln.»
    «Glauben Sie wirklich –»
    Lemoine unterbrach ihn.
    «Ich gestehe, dass ich von dem Gedanken an König Victor völlig besessen bin. Überall glaube ich ihn zu sehen. Selbst jetzt frage ich mich: Ist dieser junge Mann, mit dem ich spreche – dieser Mr Anthony Cade –, nicht am Ende König Victor?»
    «Guter Gott», sagte Anthony, «Sie hat’s aber bös gepackt.»
    «Was kümmern mich Juwelen? Was kümmert mich der Mörder von Fürst Michael? Das alles überlasse ich meinen Kollegen von Scotland Yard. Ich bin nur aus einem einzigen Grund nach England gekommen – um König Victor zu fangen. Nichts anderes interessiert mich.»
    «Glauben Sie, dass Sie Glück haben werden?»
    «Wie soll ich das wissen?», erwiderte Lemoine mit plötzlicher Mutlosigkeit.
    Sie kamen zur Terrasse zurück, wo Battle wie eine hölzerne Statue neben der Balkontür stand.
    «Sehen Sie den armen Battle an», meinte Anthony, «wir wollen ihn etwas aufzuheitern versuchen.» Nach kurzem Nachdenken fügte er hinzu: «Sie sind eigentlich ein merkwürdiger Mensch, Monsieur Lemoine.»
    «Inwiefern, Mr Cade?»
    «Nun», erklärte Anthony, «an Ihrer Stelle hätte ich den Wunsch gehabt, diese Adresse aufzuschreiben, die ich Ihnen zeigte. Sie mag ja vielleicht unwichtig sein, aber man kann schließlich nie wissen.»
    Lemoine blickte ihn einen Moment scharf an. Dann schob er mit leichtem Lächeln den linken Ärmel seines Jacketts etwas zurück. Auf der Manschette standen in dünner Bleistiftschrift die Worte:
     
    Hurstmere, Langly Road, Dover.
     
    «Ich erkläre mich für besiegt», sagte Anthony.
    Er gesellte sich zu Inspektor Battle.
    «Sie sehen nachdenklich aus, Battle», bemerkte er.
    «Ich habe auch vieles zu

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