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Die Memoiren des Sherlock Holmes Bd. 2

Die Memoiren des Sherlock Holmes Bd. 2

Titel: Die Memoiren des Sherlock Holmes Bd. 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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ihn. Heute morgen waren die letzten Vorkehrungen getroffen, und es hätte noch drei Tage gebraucht, um die Sache zu Ende zu bringen. Ich saß in meinem Zimmer und überdachte alles noch einmal, als sich die Tür öffnete und Professor Moriarty vor mir stand.
      Meine Nerven sind ziemlich stark, Watson, aber ich muß gestehen, daß ich zusammenzuckte, als ich genau den Mann, mit dem ich mich in Gedanken so viel beschäftigt hatte, auf meiner Schwelle sah. Er ist außerordentlich groß und dünn, die Stirn stark nach außen gewölbt, seine Augen liegen tief in den Höhlen. Er ist glattrasiert, bleich, macht einen asketischen Eindruck, und seine Züge erinnern noch immer an einen Professor. Vom vielen Studieren geht er gebeugt, sein Kopf ist vorgeschoben und pendelt ständig in der wachsamen Art eines Reptils langsam hin und her.
      Er beobachtete mich neugierig aus zusammengekniffenen Augen. ›Ihre Stirn ist schwächer ausgebildet, als ich dachte‹, sagte er schließlich. ›Mit einer geladenen Waffe in der Tasche eines Hausmantels herumzuspielen ist eine gefährliche Angewohnheit.‹
      Tatsächlich war ich mir bei seinem Eintritt sofort der großen Gefahr, in der ich schwebte, bewußt geworden. Seine einzige Chance, zu entkommen, lag darin, mich für immer stumm zu machen. In Sekundenschnelle hatte ich den Revolver aus der Schublade in die Tasche gleiten lassen und hielt ihn durch das Tuch auf ihn gerichtet. Auf seine Bemerkung hin zog ich die Waffe heraus und legte sie auf den Tisch. Er lächelte und blinzelte noch immer, aber in seinen Augen lag so etwas, daß ich froh war, den Revolver in Reichweite zu haben.
      ›Sie kennen mich offensichtlich nicht‹, sagte er.
      ›Im Gegenteil‹, antwortete ich, ›ich denke doch, es ist offensichtlich, daß ich Sie kenne. Setzen Sie sich bitte. Ich habe fünf Minuten Zeit, wenn Sie etwas sagen wollen.‹
      ›Alles, was ich zu sagen hätte, ist Ihnen schon durch den Kopf gegangen‹, antwortete er.
      ›Dann haben sich meine Antwort und die Ihre wahrscheinlich gekreuzt‹, entgegnete ich.
      ›Stehen Sie fest?‹
      ›Absolut.‹
      Er steckte schnell die Hände in die Taschen, und ich hob den Revolver vom Tisch. Aber er zog nur ein Notizbuch aus der Tasche, in das er einige Eintragungen gemacht hatte.
      ›Am 4. Januar haben Sie meinen Weg gekreuzt‹, sagte er. ›Am 23. haben Sie mich belästigt; Mitte Februar sind Sie mir ernsthaft auf die Nerven gegangen; Ende März haben Sie meine Pläne völlig durcheinandergebracht; und jetzt, in den letzten Tagen des April, befinde ich mich durch Ihre unausgesetzten Untersuchungen in der akuten Gefahr, meine Freiheit zu verlieren. Die Situation fängt an, unmöglich zu werden.‹
      ›Haben Sie irgendeinen Vorschlag?‹ fragte ich.
      ›Sie müssen aufhören, Mr. Holmes‹, sagte er und ließ den Blick hin und her schweifen. ›Wirklich, Sie müssen.‹
      ›Wenn Montag vorbei ist‹, sagte ich.
      ›Na, na!‹ sagte er. ›Ich bin ganz sicher: Ein Mann Ihrer Intelligenz wird begreifen, daß es in dieser Angelegenheit nur einen Ausweg gibt. Sie müssen sich auf jeden Fall zurückziehen. Sie haben die Dinge dahin gebracht, daß uns nur noch ein Mittel bleibt. Es war ein intellektuelles Vergnügen für mich, zu beobachten, wie Sie die Sache anpackten, und es würde mir – das sage ich ganz aufrichtig – Kummer bereiten, wenn ich gezwungen wäre, äußerste Maßnahmen zu ergreifen.‹
      ›Gefahr gehört zu meinem Beruf‹, warf ich ein.
      ›Das hat mit Gefahr nichts zu tun‹, sagte er. ›Es wäre unausweichliche Zerstörung. Sie stehen nicht nur einem einzelnen im Weg, sondern einer mächtigen Organisation, und das haben Sie bei all Ihrer Gescheitheit nicht bedacht. Sie müssen aus dem Weg gehen, Mr. Holmes, oder Sie werden zertreten.‹
      ›Ich fürchte‹, sagte ich und stand auf, ›daß ich über dem Vergnügen, mich mit Ihnen zu unterhalten, wichtige Geschäfte vernachlässige.‹
      Er erhob sich und stand schweigend da, wobei er bekümmert den Kopf schüttelte.
      ›Nun gut‹, sagte er schließlich, ›es ist vielleicht ein Jammer. Aber ich habe getan, was ich tun konnte. Ich durchschaue jeden Zug Ihres Spiels. Vor Montag können Sie nichts machen. Das ist ein Zweikampf zwischen Ihnen und mir. Sie hoffen, mich auf die Anklagebank zu bringen. Und ich versichere Ihnen: Ich werde niemals auf der Anklagebank sitzen. Sie hoffen, Sie können mich schlagen. Ich sage

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