Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Memoiren des Sherlock Holmes Bd. 2

Die Memoiren des Sherlock Holmes Bd. 2

Titel: Die Memoiren des Sherlock Holmes Bd. 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
Vom Netzwerk:
ich Vergebung zu finden hoffe.
      Mein Name, mein lieber Junge, ist nicht Trevor. Früher hieß ich James Armitage, und nun wirst Du auch die Erschütterung verstehen, die mich ergriff, als Dein Studienfreund zu mir Worte sagte, die anzudeuten schienen, daß er hinter mein Geheimnis gekommen sein könnte. Als Armitage arbeitete ich in einer Londoner Bank, als Armitage wurde ich für schuldig befunden, die Gesetze meines Landes gebrochen zu haben, und als Armitage wurde ich zu Deportation verurteilt. Sei nicht allzu streng gegen mich. Es war eine sogenannte Ehrenschuld, die ich zu zahlen hatte, und ich bezahlte sie mit Geld, das mir nicht gehörte, in der Gewißheit, es erstatten zu können, ehe jemand es vermißte. Aber ich war vom schrecklichsten Unglück verfolgt. Das Geld, auf das ich gerechnet hatte, blieb aus, und eine vorzeitige Überprüfung der Konten brachte das Defizit an den Tag. Man hätte den Fall milde beurteilen können, aber vor dreißig Jahren waren die Gesetze strenger als heute, und so befand ich mich an meinem dreiundzwanzigsten Geburtstag als Verbrecher, mit siebenunddreißig anderen Sträflingen zusammengekettet, im Zwischendeck der Bark ‚Gloria Scott’ auf dem Weg nach Australien.
      Man schrieb das Jahr 1855, der Krimkrieg hatte seinen Höhepunkt erreicht, und viele Sträflingsschiffe wurden als Transporter im Schwarzen Meer eingesetzt. Deshalb war die Regierung gezwungen, auf kleinere und weniger geeignete Barken zurückzugreifen, um die Gefangenen an ihren Bestimmungsort zu bringen. Die ‚Gloria Scott’ hatte dem Teehandel mit China gedient; sie war ein altmodisches Gefährt, ein Fünfhunderttonner mit breitem Bug und schweren Decksbalken, den die neuen Klipper ausgestochen hatten. Neben den achtunddreißig Galgenvögeln befand sich eine Besatzung von sechsundzwanzig Matrosen, einem Kapitän, drei Offizieren, einem Arzt, einem Kaplan an Bord, außerdem achtzehn Soldaten und vier Gefangenenwärter. Alles in allem stach sie mit fast einhundert Seelen von Falmouth in See.
      Die Trennwände zwischen den Zellen der Sträflinge waren ziemlich dünn und schwach, auf regulären Sträflingstransportern bestanden sie aus dicken Eichenbohlen. Den Mann, der achtern von mir lag, hatte ich mir besonders gemerkt, als wir zum Kai hinuntergeführt worden waren. Er war jung und hatte ein offenes, bartloses Gesicht mit einer langen, schmalen Nase und einer Kinnlade wie ein Nußknacker. Er trug den Kopf keck erhoben, ging mit wiegenden Schritten und fiel vor allem durch seine außerordentliche Länge auf. Ich glaube nicht, daß wir anderen ihm auch nur bis zur Schulter reichten, und bin sicher, daß er nicht weniger als sechs und einen halben Fuß maß. Es war seltsam, zwischen all den traurigen und bekümmerten Gesichtern eines zu sehen, aus dem Tatkraft und Entschlossenheit sprach. Sein Anblick war für mich so etwas wie ein Feuer im Schneesturm. Deshalb freute ich mich, als ich fand, daß er mein Nachbar war, und ich freute mich noch mehr, als ich mitten in der Nacht ein Flüstern hörte und entdeckte, daß es ihm gelun gen war, ein Loch in die hölzerne Trennwand zu bohren.
      ‚Hallo, Kumpel!’ sagte er. ‚Wie heißt du und weshalb bist du hier?’
      Ich gab ihm Auskunft und fragte zurück, mit wem ich spräche.
      ‚Ich bin Jack Prendergast’, sagte er, ‚und du wirst, bei Gott, meinen Namen preisen lernen, ehe wir miteinander fertig sind.’
      Ich erinnerte mich, von seinem Fall gehört zu haben, denn er hatte einige Zeit vor meiner eigenen Verhaftung im ganzen Land unerhörtes Aufsehen erregt. Er entstammte einer guten Familie, besaß große Fähigkeiten, aber auch eine unausrottbare Neigung zum Bösen und hatte durch ein geniales System die führenden Londoner Kaufleute um ungeheure Summen geprellt.
      ‚Aha! du erinnerst dich an meinen Fall?’ fragte er stolz.
      ‚Sehr gut sogar.’
      ‚Erinnerst du dich auch daran, daß an ihm etwas sonderbar war?’
      ‚Was denn?’
      ‚Ich hatte fast eine Viertel Million, stimmt’s?’
      ‚So hieß es.’
      ‚Aber von dem Geld ist nichts entdeckt worden, oder?’
      ‚Nichts.’
      ‚Gut, und wo, nimmst du an, ist das Geld jetzt?’ fragte er.
      ‚Keine Ahnung’, sagte ich.
      ‚Hier ist es, zwischen meinem Zeigefinger und meinem Daumen!’ rief er. ‚Bei Gott, ich besitze mehr Pfund, als du Haare auf dem Kopf hast. Und wenn du Geld hast, mein Sohn, und weißt, wie man damit umgeht, und du

Weitere Kostenlose Bücher