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Die Memoiren des Sherlock Holmes Bd. 2

Die Memoiren des Sherlock Holmes Bd. 2

Titel: Die Memoiren des Sherlock Holmes Bd. 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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hörte ich, wie er in seinem Zimmer auf und ab ging, und gerade als er dabei war, seine Sicherheit wiederzufinden, fiel der Schlag.‹
      ›Und wie?‹ fragte ich.
      ›Auf die ungewöhnlichste Weise. Gestern abend kam ein Brief für meinen Vater an, mit dem Poststempel von Fordingbridge. Mein Vater las ihn, schlug sich die Hände vor den Kopf und begann in kleinen Kreisen im Zimmer herumzurennen, wie einer, der den Verstand verloren hat. Als ich ihn schließlich aufs Sofa ziehen konnte, sah ich, daß eine Seite des Mundes und ein Lid herabhingen. Er hatte einen Schlaganfall erlitten. Dr. Fordham kam sofort, und wir brachten ihn ins Bett. Doch die Lähmung hat sich ausgebreitet. Seitdem ist sein Bewußtsein nicht zurückgekehrt, und ich glaube nicht, daß wir ihn noch lebend antreffen werden.‹
      ›Du erschreckst mich, Trevor!‹ rief ich. ›Was kann denn in dem Brief gestanden haben, das so furchtbare Folgen nach sich ziehen konnte?‹
      ›Nichts. Das ist das Unerklärliche. Die Botschaft ist absurd und nichtssagend. O mein Gott, es ist, wie ich befürchtet habe!‹
      Während er sprach, waren wir in die Allee eingebogen und sahen im schwindenden Licht, daß man alle Vorhänge im Haus zugezogen hatte. Als wir auf die Tür zuhasteten, mein Freund mit schmerzverzerrtem Gesicht, kam uns ein Herr in Schwarz entgegen.
      ›Wann ist es geschehen, Doktor?‹ fragte Trevor.
      ›Unmittelbar nachdem Sie gefahren waren.‹
      ›Hat er das Bewußtsein wiedererlangt?‹
      ›Für einen Moment, bevor es zu Ende ging.‹
      ›Irgendeine Nachricht für mich?‹
      ›Nur, daß die Papiere sich in der hinteren Schublade der japanischen Kommode befänden.‹
      Mein Freund ging mit dem Arzt hinauf ins Sterbezimmer; ich blieb im Arbeitszimmer und ließ mir die ganze Sache wieder und wieder durch den Kopf gehen. Dabei fühlte ich mich bedrückt wie nie zuvor im Leben. Wie sah die Vergangenheit dieses Trevor aus: Boxer, Weltenbummler, Goldgräber? Und wie war er in die Gewalt dieses Seemanns mit dem abstoßenden Gesicht geraten? Und warum verlor er das Bewußtsein, wenn man auf halbverblaßte Initialen auf seinem Arm anspielte? Und warum starb er vor Angst, nachdem er einen Brief aus Fordingbridge erhalten hatte? Dann fiel mir ein, daß Fordingbridge in Hampshire liegt und daß es von diesem Mr. Beddoes, den der Seemann aufsuchen und wahrscheinlich erpressen wollte, geheißen hatte, er lebe in Hampshire. Der Brief war dann entweder von Hudson geschrieben worden, und der Seemann hatte in ihm darin mitgeteilt, er habe das Geheimnis einer Schuld, die es offenbar gab, gelüftet, oder er konnte von Beddoes gekommen sein, der einen alten Verbündeten davon unterrichtete, daß Gefahr bestünde, das Geheimnis könnte gelüftet werden. Soweit schien mir alles klar. Aber wie konnte der Brief dann absurd und nichtssagend sein, wie der Sohn sich ausgedrückt hatte? Er mußte ihn nicht richtig gelesen haben. Wenn doch, dann war der Brief vermutlich in einem der scharfsinnigen Codes abgefaßt, die eine Sache meinen, während sie auf eine andere zielen. Ich mußte den Brief sehen. Wenn er einen verborgenen Sinn enthielt, traute ich mir zu, ihn herauszubekommen. Eine Stunde lang saß ich grübelnd im Dunkeln, bis schließlich ein weinendes Dienstmädchen eine Lampe brachte. Kurz danach kam mein Freund Trevor, bleich, aber gefaßt, mit eben den Papieren, die jetzt auf meinen Knien liegen. Er nahm mir gegenüber Platz, rückte die Lampe zur Tischkante und reichte mir das schiefergraue Blatt. Ich las: ›Die lange erwartete Jagd auf Wild hat heute schon begonnen. Der Oberförster Hudson, unser Freund, hat mir bereits alles nötige Wissen preisgegeben. Komme im Lauf der Woche, um Dich und Dein Fasanenweibchen am Leben zu finden.‹
      Ich glaube, als ich den Text zum ersten Mal las, sah ich genauso verwirrt aus wie Sie jetzt. Dann las ich ihn noch einmal sehr sorgfältig. Es war offensichtlich so, wie ich gedacht hatte: Hinter der seltsamen Kombination von Wörtern mußte ein verborgener Sinn stecken. Oder konnte es sein, daß Wörter wie ›Oberförster‹ oder ›Fasanenweibchen‹ eine vorher abgesprochene Bedeutung besaßen? Eine solche Bedeutung wäre etwas Willkürliches gewesen und durch keinerlei Schlußfolgerungen zu enträtseln. Doch ich neigte nicht zu dieser Annahme, und das Vorhandensein des Namens Hudson schien mir darauf hinzuweisen, daß es sich mit der Nachricht so verhielt, wie ich es bereits

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