Die Memoiren des Sherlock Holmes Bd. 2
Passagierkajüte standen zwei weitere Soldaten. Ihre Gewehre schienen nicht geladen zu sein, denn sie feuerten nicht auf uns; sie wurden erschossen, als sie die Bajonette aufpflanzen wollten. Dann stürzten wir weiter zur Kapitänskabine. Als wir die Tür aufstießen, hörten wir einen Schuß, und wir fanden den Kapitän mit dem Kopf auf der Karte vom Atlantik liegen, die auf dem Tisch befestigt war, und neben ihm stand mit rauchender Pistole der Kaplan. Die beiden Offiziere waren von der Mannschaft gefangengenommen worden, und die ganze Sache schien geglückt zu sein.
Die Passagierkajüte lag neben der Kapitänskajüte. Wir drängten in sie hinein, warfen uns in die Polstersessel und redeten alle durcheinander, weil das Gefühl, wieder frei zu sein, uns toll machte. An den Wänden rings waren Schränke eingebaut, und Wilson, der falsche Kaplan, brach einen auf und holte ein Dutzend Flaschen braunen Sherry heraus. Wir schlugen die Flaschenhälse ab, gossen das Zeug in Gläser und waren gerade dabei, es hinunterzustürzen, als plötzlich und ohne Warnung eine Schießerei losbrach. Die Kajüte war voller Rauch, man konnte nicht über den Tisch hinwegsehen. Als er sich wieder verzogen hatte, sah der Raum wie ein Schlachthaus aus. Wilson und acht andere wälzten sich übereinander am Boden. Der Gedanke an das Blut und den braunen Sherry auf dem Tisch macht mich jetzt noch krank. Der Anblick entmutigte uns so, daß wir unsere Sache aufgegeben hätten, wenn Prendergast nicht gewesen wäre. Er brüllte wie ein Stier und stürzte zur Tür, und alle, die noch lebten, folgten ihm. Wir drängten nach draußen, wo auf dem Schanzdeck der Leutnant und zehn seiner Männer standen. Die aufklappbaren Oberlichter der Kajüte standen ein Stück offen, und durch die Öffnungen hatten sie auf uns gefeuert. Wir fielen über die Soldaten her, ehe sie wieder laden konnten. Sie wehrten sich mannhaft, aber wir gewannen die Oberhand, und in fünf Minuten war alles vorbei. Mein Gott! gab es je so ein Schlachthaus wie dieses Schiff? Prendergast gebärdete sich wie ein tobender Teufel. Er riß die Soldaten hoch, als wären sie Puppen, und warf sie, lebend oder tot, über Bord. Ein Sergeant, der schrecklich verwundet war, hielt sich schwimmend eine erstaunlich lange Zeit über Wasser, bis jemand sich seiner erbarmte und ihm eine Kugel durch den Kopf schoß. Als der Kampf beendet war, lebte von unseren Feinden niemand mehr außer den beiden Gefangenenwärtern, den zwei Offizieren und dem Arzt.
Darüber, was mit ihnen geschehen sollte, brach ein großer Streit aus. Viele von uns waren froh, die Freiheit wiedergewonnen zu haben, und sie wollten ihr Gewissen nicht mit Mord belasten. Es war ein Unterschied, Soldaten mit Gewehren zu überrennen, oder dabeizustehen, wenn Menschen kaltblütig ermordet wurden. Acht von uns, fünf Sträflinge und drei von der Mannschaft, sagten klar, daß sie das nicht dulden würden. Aber Prendergast und die Leute, die zu ihm standen, waren nicht zu bewegen. Unsere einzige Sicherheit bestehe darin, sagte er, reinen Tisch zu machen, und er sei nicht gesonnen, auch nur eine Zunge, die vor Gericht gegen uns aussagen könne, übrigzulassen. Fast hätten wir das Schicksal unserer Gefangenen geteilt, aber schließlich sagte er, wir könnten, wenn wir wollten, in die Boote steigen und fortrudern. Wir nahmen das Angebot sofort an, denn uns war schon übel von all dem blutrünstigen Geschehen, und wir konnten absehen, daß sich noch Schlimmeres ereignen würde, ehe alles vorbei war. Man gab uns Seemannskleidung, eine Tonne mit Wasser, ein Fäßchen mit Pökelfleisch und eins mit Zwieback und einen Kompaß. Prendergast warf uns noch eine Seekarte ins Boot und schärfte uns ein, wir wären schiffbrüchige Matrosen, deren Schiff im Gebiet von 15° nördlicher Breite und 25° westlicher Länge gesunken sei. Dann kappte er die Fangleine, und wir ruderten davon.
Und jetzt komme ich zum erstaunlichsten Teil meiner Geschichte, mein lieber Sohn. Die Matrosen hatten während des Aufstands das Focksegel eingeholt; jetzt setzten sie es wieder, und da ein leichter Wind von Norden und Osten wehte, begann die Bark langsam von uns weg zu driften. Unser Boot hob und senkte sich auf langen, glatten Wellen, und Evans und ich, die wir die Gebil detsten der Gesellschaft waren, saßen auf den Schoten, machten unsere Position aus und überlegten, welche Küste wir anlaufen sollten. Das war eine heikle Frage, dann die Kapverdischen Inseln
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