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Die Memoiren des Sherlock Holmes Bd. 2

Die Memoiren des Sherlock Holmes Bd. 2

Titel: Die Memoiren des Sherlock Holmes Bd. 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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unseren Seelen gnädig!‹
      Das war die Geschichte, die ich in jener Nacht dem jungen Trevor vorlas, und Sie können sich wohl vorstellen, Watson, daß sie sich unter den gegebenen Umständen dramatisch anhörte. Dem guten Burschen hat es fast das Herz gebrochen; er ist ausgewandert nach den Teeplantagen von Terai, wo es ihm gut geht, wie ich erfahren habe. Was den Seemann und Beddoes betrifft, so hat man nach dem Tage, an dem der Warnbrief geschrieben wurde, nichts mehr von ihnen gehört. Sie verschwanden völlig und für immer. Bei der Polizei war keine Anzeige eingegangen, Beddoes hatte eine Drohung für die Tat genommen. Hudson lungerte noch eine Weile herum, und die Polizei nimmt an, daß er Beddoes umbrachte und dann floh. Ich allerdings denke, das Entgegengesetzte ist die Wahrheit. Ich halte es für sehr wahrscheinlich, daß Beddoes, zur Verzweiflung getrieben, da er glaubte, er sei bereits angezeigt worden, sich an Hudson gerächt hat und außer Landes geflohen ist, mit so viel Geld, wie er zusammenraffen konnte. Das sind die Tatsachen des Falles, Doktor; und wenn sie Ihrer Sammlung irgend nützen können, stelle ich sie Ihnen gern zur Verfügung.«

Das Ritual der Familie Musgrave

    Ein Widerspruch im Charakter meines Freundes Sherlock Holmes hat mich oft beschäftigt. Er, der in seinem Denken der ordentlichste und methodischste Mensch überhaupt war, der auch bei seiner Kleidung auf unauffällige Eleganz hielt, war in seinen Lebensgewohnheiten nichtsdestoweniger derart unordentlich, daß es einen Wohngenossen schier zur Verzweiflung treiben konnte. Dabei ist es nicht so, daß ich in dieser Beziehung besonders konventionell eingestellt wäre. Das rauhe und unsichere Leben in Afghanistan hat in mir die Veranlagung zum Bohemien so wuchern lassen, daß ich weit nachlässiger bin, als es einem Arzt ansteht. Aber bei mir gibt es eine Grenze, und wenn ich einen Mann treffe, der seine Zigarren im Kohlenkasten und den Tabak in seinen persischen Pantoffeln aufbewahrt und die unbeantworteten Briefe mit dem Taschenmesser an den hölzernen Sims des Kamins heftet, dann fange ich an, mir einzubilden, ich sei besonders tugendhaft. Ich habe auch immer dafürgehalten, daß Pistolenschießen unbedingt ein im Freien auszuübender Zeitvertreib bleiben sollte; und wenn Holmes sich in einer seiner wunderlichen Launen mit der Waffe und hundert Patronen in einen Sessel setzte und daranging, die gegenüberliegende Wand mit einem patriotischen V. R. aus Einschußlöchern zu verzieren, so hatte ich stark das Gefühl, daß dies weder die Atmosphäre noch das Aussehen unseres Zimmers veredelte.
      Unsere Wohnung war ständig voller Chemikalien und Überbleibsel von Kriminalfällen, die sich in die unwahrscheinlichsten Winkel verkrochen, in die Butterdose oder in andere, noch weniger geeignete Behältnisse. Aber meine größte Crux waren seine Papiere. Er hatte einen Horror davor, Dokumente zu vernichten, besonders solche, die mit seinen früheren Fällen zusammenhingen. Immerhin geschah es alle ein oder zwei Jahre, daß er sie entschlossen durchsah, um sie zu registrieren und zu ordnen. Aber – ich habe es schon irgendwo in diesen unzusammenhängenden Memoiren erwähnt – auf seine Ausbrüche leidenschaftlicher Energie, in denen er auch alle die bemerkenswerten Taten vollbrachte, die mit seinem Namen verbunden sind, folgten Phasen von Lethargie; dann hing er herum mit seiner Violine und seinen Büchern und bewegte sich kaum, höchstens zwischen Sofa und Tisch. So häuften sich seine Papiere Monat um Monat zu Bergen, bis jede Ecke des Raums vollgestopft war mit Manuskriptbündeln, jedoch nicht gestapelt, um verbrannt zu werden, und sie durften auch nicht weggeräumt werden, es sei, durch den Eigentümer.
      In einer Winternacht, als wir am Kamin saßen, erlaubte ich mir die Bemerkung, er könnte doch nun, da er die Auszüge aus abgeschlossenen Fällen in seine Sammlung eingeklebt habe, die näch sten zwei Stunden darauf verwenden, unser Zimmer ein wenig wohnlicher zu machen. Er konnte sich der Berechtigung meiner Bitte nicht entziehen und ging mit einem ziemlich grämlichen Gesicht in seinen Schlafraum, kam aber sogleich wieder zurück, einen großen Blechkasten hinter sich her zerrend, den er mitten ins Zimmer stellte. Er hockte sich auf einen Schemel davor, schlug den Deckel auf, und ich sah, daß der Kasten zu einem Drittel mit rot verschnürten Manuskriptbündeln angefüllt war.
      »Hier drin sind lauter Fälle,

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