Die Memoiren des Sherlock Holmes Bd. 2
abgehalten. Vielleicht handelte es sich um so etwas wie ein Gerichtsverfahren. Jedenfalls hat die Sache einige Zeit in Anspruch genommen, denn währenddem sind diese Zigarren geraucht worden. Der alte Mann saß hier im Korbstuhl: Er ist derjenige, der eine Zigarrenspitze benutzte. Der junge Mann saß dort drüben; er hat die Asche an der Kommode abgestreift. Der dritte Bursche ging auf und ab. Blessington saß, nehme ich an, aufrecht im Bett, aber in dem Punkte bin ich mir nicht ganz sicher.
Nun, es endete damit, daß sie Blessington ergriffen und aufhängten. Alles war gut vorbereitet, und ich nehme sogar an, sie haben eine Art Flaschenzug mitgebracht, jedenfalls etwas, das sie als Galgen gebrauchen konnten. Dieser Schraubenzieher und die Schrauben sollten, denke ich, dazu dienen, das Ding zu fixieren. Als sie aber den Haken entdeckten, durften sie sich natürlich die Mühe sparen. Nach der Arbeit machten sie sich davon, und ihr Verbündeter verriegelte die Tür hinter ihnen.«
Mit tiefstem Interesse hatten wir diesem Entwurf über die nächtlichen Ereignisse gelauscht, auf den Holmes von Spuren geschlossen hatte, die so fein und winzig waren, daß sie uns, auch nachdem wir auf sie hingewiesen worden waren, kaum in den Stand setzten, seinen Gedankenketten zu folgen. Der Inspektor lief sofort hinaus, um den Diener zu suchen, Holmes und ich aber kehrten zum Frühstück in die Baker Street zurück.
»Ich werde gegen drei wieder hier sein«, sagte er, als wir das Mahl beendet hatten. »Der Inspektor und der Doktor wollen sich um diese Zeit mit mir treffen, und ich hoffe, daß ich bis dahin jede kleine Unklarheit, die der Fall noch bereithalten mag, beseitigt habe.«
Zur verabredeten Zeit kamen unsere Besucher, aber es dauerte bis Viertel vor vier, ehe mein Freund erschien. An seinem Gesichtsausdruck erkannte ich sofort, daß alles gut gegangen war.
»Gibt es etwas Neues, Inspektor?«
»Wir haben den Diener, Sir.«
»Ausgezeichnet. Und ich habe die anderen beiden.«
»Sie haben sie!« riefen wir drei.
»Nun, wenigstens weiß ich, wer sie sind. Dieser sogenannte Mr. Blessington ist, wie ich erwartet habe, dem Polizeipräsidium so gut bekannt wie seine Mörder. Die drei heißen Biddle, Hayward und Moffat.«
»Die Bande von der Worthingdon-Bank!« rief der Inspektor.
»Genau«, sagte Holmes.
»Dann muß Blessington Sutton sein.«
»Richtig«, sagte Holmes.
»Dann ist ja alles kristallklar«, sagte der Inspektor.
Doch Trevelyan und ich sahen uns verwirrt an.
»Sie werden sich doch noch an den großen Einbruch in die Worthingdon-Bank erinnern«, sagte Holmes. »Fünf Leute waren daran beteiligt, diese vier und ein fünfter, der Cartwright hieß. Tobin, der Hausmeister, wurde ermordet, und die Diebe entkamen mit siebentausend Pfund. Das war
1875. Sie wurden alle fünf verhaftet, aber die Beweise gegen sie waren nicht schlüssig. Dieser Blessington oder Sutton, der Schlimmste der Bande, erbot sich als Kronzeuge. Auf seine Aussage hin hängte man Cartwright, die anderen erhielten jeder fünfzehn Jahre. Als sie einige Jahre vor der Verbüßung ihrer ganzen Strafe herauskamen, verlegten sie sich darauf, den Verräter zu jagen, um den Tod des Kameraden zu rächen. Zweimal versuchten sie, ihn zu fassen, und es mißlang; beim dritten Mal hatten sie Erfolg, wie Sie wissen. Gibt es sonst noch etwas, das ich Ihnen erklären kann, Dr. Trevelyan?«
»Ich glaube, Sie haben alles bemerkenswert deutlich gemacht«, sagte der Doktor. »Ohne Zweifel war der Tag, an dem er so verstört war, genau der, wo er aus den Zeitungen von ihrer Freilassung erfahren hatte.«
»So ist es. Das Gerede über Einbrecher war der reinste Bluff.«
»Aber warum konnte er Ihnen nicht alles das erzählen?«
»Nun, mein lieber Herr, da er die Rachsucht seiner alten Kumpane kannte, war er bemüht, seine Identität vor jedermann so lange wie möglich zu verbergen. Zudem besaß er ein schändliches Geheimnis, und er brachte es nicht über sich, es zu lüften. Immerhin lebte er, so nichtswürdig er war, unter dem -Schild des britischen Gesetzes, und ich zweifle nicht, Inspektor, daß es Ihnen aufgeht: Wenn dieser Schild nicht mehr schützen kann, das Schwert des Rechts zur Rache bleibt.«
Das also war die merkwürdige Begebenheit mit dem Dauerpatienten und dem Arzt aus der Brook Street. Seit der Nacht hat die Polizei nichts mehr von den drei Mördern gehört, und in
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