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Die Menschenleserin

Die Menschenleserin

Titel: Die Menschenleserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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trifft.«
    »Eines Tages wird er sich daran gewöhnen müssen, nicht wahr?«
    »Oh, sicher. Aber im Augenblick...«
    »Schon klar«, sagte Kellogg. »Obwohl es ihn nicht zu stören scheint, wenn Sie mit Michael zusammen sind.«
    »Das ist ja auch etwas anderes. Michael ist ein alter Freund. Und er ist verheiratet. Er stellt keine Bedrohung dar.«
    Kellogg zögerte kurz, bevor er antwortete. »Ja, das ergibt Sinn.«
    Dance sah ihn an, um die Ursache für die Pause festzustellen, aber sein Gesicht verriet nichts.
    »Nehmen Sie Wes’ Reaktion nicht persönlich.«
    Wieder eine Pause. »Vielleicht ist es ein Kompliment.«
    Auch nach diesem Vorstoß blieb seine Miene neutral.
    Sie gingen hinaus. Die Luft war so frisch, dass sie überall sonst auf der Welt auf den bevorstehenden Herbst hingedeutet hätte. Dances Finger zitterten in der Kälte, aber sie mochte das Gefühl. Wie ein Eiswürfel auf einer Verletzung, dachte sie.
    Der Dunst ging in Regen über. »Ich setze Sie bei Ihrem Wagen ab«, sagte sie. Kelloggs Fahrzeug stand hinter dem Gebäude geparkt.
    Sie stiegen beide ein, und Dance fuhr zu seinem Mietwagen.
    Eine Minute lang rührte sich keiner von ihnen. Sie stellte den Hebel der Automatik auf die Parkposition. Dann schloss sie die Augen, streckte sich und drückte ihren Nacken gegen die Kopfstütze. Es fühlte sich gut an.
    Sie machte die Augen wieder auf und sah, dass er sich in ihre Richtung drehte, eine Hand auf dem Armaturenbrett ließ und mit der anderen ihre Schulter berührte – entschlossen und doch irgendwie vorsichtig. Er wartete auf ein Signal. Sie gab ihm keines, sah ihm aber wortlos in die Augen. Was natürlich doch ein Signal war.
    Er jedenfalls zögerte nicht länger, sondern beugte sich vor und küsste sie auf die Lippen. Sie schmeckte Pfefferminz; er hatte sich unauffällig ein Tic Tac genehmigt, als sie nicht hinsah. Raffiniert, dachte sie und musste innerlich lachen. Sie hatte das Gleiche mit Brian gemacht, an jenem Tag am Strand, vor den Augen der Seeotter und Robben. Kellogg wich nun ein Stück zurück, formierte seine Truppen neu und wartete auf den Statusreport nach dem ersten Geplänkel.
    Das verschaffte Dance einen Moment zum Nachdenken.
    Sie traf eine Entscheidung, und als er sich wieder näherte, kam sie ihm auf halbem Weg entgegen; ihr Mund öffnete sich. Sie erwiderte den Kuss leidenschaftlich. Ihre Hände legten sich auf seine Schultern, die so muskulös waren wie erwartet. Seine Bartstoppeln rieben über ihre Wange.
    Er legte eine Hand um ihren Nacken und zog sie fester an sich.
    Sie spürte, wie sich in ihr etwas löste und ihr Herzschlag sich beschleunigte. Ohne die verbundene Wunde zu berühren, presste sie Nase und Lippen gegen den Knochen unter seinem Ohr, so wie sie es bei ihrem Mann getan hatte, wenn sie miteinander schliefen. Sie mochte die weiche glatte Haut dort, den Geruch nach Rasiercreme und Seife, das Pulsieren des Blutes.
    Dann löste Kelloggs Hand sich von ihrem Nacken und strich über ihr Kinn, um ihr Gesicht weiter zu ihm zu führen. Ihre Münder verschmolzen miteinander, und ihrer beider Atem wurde schneller. Sie fühlte, wie seine Finger sich zu ihrer Schulter bewegten, den Satinträger ertasteten und an ihm auf der Bluse nach unten glitten. Ganz langsam, stets bereit, sich beim geringsten Anzeichen von Widerstand zurückzuziehen.
    Sie reagierte, indem sie ihn noch fester küsste. Ihr Arm ruhte auf seinem Oberschenkel, und sie spürte seine Erektion an ihrem Ellbogen. Er rutschte ein Stück zurück, vielleicht damit er nicht zu eifrig und forsch wirken würde, nicht zu sehr wie ein Teenager.
    Aber Kathryn Dance lehnte sich nach hinten und zog ihn mit sich – kinesisch gesehen eine Position des Einverständnisses und der Unterwerfung. Ein-oder zweimal dachte sie an ihren Ehemann, aber wie aus großer Entfernung. Sie war in diesem Moment ganz bei Winston Kellogg.
    Dann erreichte seine Hand den winzigen Metallring, mit dem der Träger in die weiße Schale des Büstenhalters überging.
    Und hielt inne.
    Die Hand zog sich zurück, obwohl das Anzeichen an ihrem Ellbogen unverändert blieb. Die Küsse kamen weniger häufig, wie bei einem Karussell, das immer langsamer wurde, nachdem man den Strom abgeschaltet hatte.
    Aber es kam Kathryn genau richtig vor. Sie hatten sich bis zu dem Punkt vorgewagt, den sie unter den gegebenen Umständen erreichen konnten – zu denen die Fahndung nach einem Killer zählte, die schrecklichen Morde der letzten Tage und die kurze

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