Die Menschenleserin
Haus geschmuggelt. Dance kam zu dem Schluss, dass Linda und Samantha keine akute Gefahr drohte, vor allem angesichts der Wachposten.
»Wo sind Sie jetzt?«, fragte sie Kellogg.
»Auf dem Rückweg zum CBI. Ich glaube, Pell und Rebecca wollen abhauen. Ich werde Michael vorschlagen, wieder Straßensperren zu errichten.«
Sie beendeten das Gespräch, und Dance rief Morton Nagle an.
»Hallo?«, meldete er sich.
»Hier Kathryn. Hören Sie, Rebecca ist bei Pell.«
»Was? Hat er sie entführt?«
»Die beiden stecken unter einer Decke. Sie hat den Ausbruch organisiert.«
»Nein!«
»Womöglich sind die zwei nun auf der Flucht, aber es besteht die Möglichkeit, dass Sie, Morton, sich in Gefahr befinden.«
»Ich?«
»Verriegeln Sie die Türen. Lassen Sie niemanden herein. Wir sind zu Ihnen unterwegs und in fünf Minuten da.«
Es dauerte fast zehn Minuten, trotz TJs aggressivem – oder »anspruchsvollem«, wie er es nannte – Fahrstil; die Straßen waren voller Touristen, die zu einem verlängerten Wochenende herkamen. Schließlich erreichten die beiden CBI-Agenten ihr Ziel und gingen zur Vordertür des Hauses. Dance klopfte. Der Autor öffnete kurz darauf, schaute an ihr vorbei zu TJ und dann hinaus auf die Straße. Die Beamten traten ein.
Nagle schloss die Tür. Seine Schultern sackten herab.
»Es tut mir leid.« Seine Stimme zitterte. »Er hat gesagt, falls ich am Telefon etwas verrate, bringt er meine Familie um. Es tut mir so leid.«
Daniel Pell, der hinter der Tür stand, hielt Dance eine Pistole an den Hinterkopf.
...Neunundvierzig
»Da ist ja meine Freundin. Die Katze zu meiner Maus. Mit dem komischen Namen. Kathryn Dance ...«
»Als Sie angerufen haben, war Ihre Nummer im Display zu sehen«, fuhr Nagle fort. »Ich musste ihm sagen, wer das war. Dann musste ich behaupten, es sei alles in Ordnung. Ich wollte nicht. Aber meine Kinder. Ich...«
»Schon in Ordnung...«, setzte sie an.
»Pssssst, Mr. Autor und Miss Vernehmungsbeamtin. Ruhe jetzt.«
Im Schlafzimmer zur Linken lag Nagles Familie bäuchlings am Boden und hatte die Hände auf den Köpfen verschränkt. Seine Frau Joan und die Kinder – der halbwüchsige Eric und die kleine, rundliche Sonja. Rebecca saß über ihnen auf dem Bett mit einem Messer in der Hand. Sie warf Dance einen völlig ungerührten Blick zu.
Kathryn wusste, dass die Familie nur aus einem einzigen Grund noch am Leben war: Pell kontrollierte mit ihrer Hilfe Nagle.
Muster ...
»Komm her, Baby, und hilf mir mal kurz.«
Rebecca stand auf und gesellte sich zu ihnen.
»Nimm ihnen die Waffen und Telefone ab.« Pell hielt Dance seine Pistole ans Ohr, während Rebecca sie entwaffnete. Dann befahl er Kathryn, sich mit den eigenen Handschellen zu fesseln.
Sie gehorchte.
»Nicht eng genug.« Er ließ die Ringe weiter einrasten, und Dance zuckte zusammen.
Mit TJ machten sie das Gleiche, und dann stießen sie die beiden Agenten auf die Couch.
»Pass bloß auf«, murmelte TJ.
»Hören Sie gut zu«, sagte Pell zu Dance. »Sind Sie auch ganz Ohr?«
»Ja.«
»Kommt noch jemand?«
»Ich habe niemanden gerufen.«
»Danach habe ich nicht gefragt. Sie als die große Verhörspezialistin sollten das eigentlich wissen.« Vollkommen ruhig.
»Soweit ich weiß, kommt niemand her. Ich wollte Morton nur ein paar Fragen stellen.«
Pell legte ihre Telefone auf den Couchtisch. »Falls jemand Sie anruft, sagen Sie, es sei alles in Ordnung. Sie würden in ungefähr einer Stunde wieder in der Zentrale sein, könnten im Augenblick aber nicht reden. Haben wir uns verstanden? Falls nicht, suche ich mir eines der beiden Kinder aus und...«
»Verstanden«, sagte sie.
»Und nun will ich von niemandem mehr ein Wort hören. Wir haben...«
»Das ist nicht besonders klug«, sagte TJ.
Nein, nein, dachte Dance. Lass ihn dich kontrollieren! Du darfst Daniel Pell nicht herausfordern.
Pell ging zu ihm und hielt ihm ganz beiläufig die Waffe an die Kehle. »Was habe ich gerade gesagt?«
»Dass Sie kein Wort mehr hören wollen«, erwiderte TJ, nun gar nicht mehr vorlaut.
»Aber Sie haben trotzdem etwas gesagt. Warum haben Sie das bloß getan? Wie kann man nur so ausgesprochen dumm sein?«
Er wird ihn töten, dachte Dance. Bitte nicht. »Pell, hören Sie...«
»Sie reden ja auch«, sagte der Killer und richtete die Pistole auf sie.
»Es tut mir leid«, flüsterte TJ.
»Noch mehr Worte.«
Pell sah Dance an. »Ich habe an Sie und Ihren kleinen Freund hier einige Fragen. Aber das dauert noch einen
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