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Die Menschenleserin

Die Menschenleserin

Titel: Die Menschenleserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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Nachrichten, dass ihr Daniel im Point Lobos State Park erschossen worden war.
    Sie schrie in das Kissen und hämmerte mit ihren knochigen Händen auf die Matratze ein. Schließlich weinte sie sich in einen unruhigen Schlaf. Irgendwann wachte sie auf, und seitdem lag sie hier im Bett, starrte nach oben und schaute von einer Ecke zur anderen. Immer wieder. Wie unter Zwang.
    Es erinnerte sie an die endlosen Stunden, die sie während ihrer Ehe im Schlafzimmer gelegen hatte, den Kopf weit im Nacken, damit das Nasenbluten aufhörte und der Schmerz nachließ.
    Und in Tims Schlafzimmer.
    Und in einem Dutzend anderer.
    Daliegend und wartend, wartend, wartend …
    Jennie wusste, dass sie aufstehen und etwas tun musste. Die Polizei suchte nach ihr – sie hatte ihr Führerscheinfoto im Fernsehen gesehen, wie sie ernst dreinblickte, mit riesiger Nase. Schon der Gedanke an das Bild ließ sie vor Entsetzen schaudern.
    Also beweg deinen Hintern …
    Doch im Verlauf der letzten paar Stunden, während sie so auf dem billigen Bett gelegen hatte, dessen Lattenrost sich durchbog und dessen Matratzenfedern sie durch das dünne Laken spürte, war ihr etwas Seltsames an ihr aufgefallen.
    Eine plötzliche Veränderung, wie der erste Frost im Herbst. Sie fragte sich, was das wohl für eine Regung sein mochte. Dann begriff sie es.
    Wut.
    Das war für Jennie Marston ein sehr seltenes Gefühl. Oh, sie war hervorragend darin, sich schlecht zu fühlen, Angst zu haben, dienstbeflissen zu sein oder darauf zu warten, dass der Schmerz nachließ.
    Oder darauf, dass der Schmerz anfing.
    Doch nun war sie wütend. Ihre Hände zitterten, und ihre Atmung beschleunigte sich. Und dann war sie auf einmal völlig ruhig, obwohl die Wut blieb. Es war genau, als würde man Karamell herstellen – man erhitzt den Zucker so lange, bis er kocht, brodelnd und gefährlich (er würde wie brennender Klebstoff an der Haut haften). Und dann schüttet man ihn auf eine Marmorplatte, wo er zu einem brüchigen dünnen Blatt abkühlt.
    Das verspürte Jennie derzeit in ihrem Innern. Kalte, harte Wut. Hart...
    Sie biss die Zähne zusammen, stand mit klopfendem Herzen auf, ging ins Badezimmer und duschte. Dann setzte sie sich an den billigen Tisch vor dem Spiegel und schminkte sich. Sie brachte fast eine halbe Stunde damit zu.
    Sie betrachtete sich im Spiegel. Und ihr gefiel, was sie sah.
    Engelsgesänge ...
    Sie dachte wieder an Donnerstag, als sie beide neben dem Ford Focus gestanden hatten und Jennie weinend die Arme um Daniel schlang.
    »Ich werde dich ja so vermissen, Schatz«, sagte sie.
    Dann senkte er seine Stimme. »So, Liebling. Ich muss mich nun um etwas kümmern und dafür sorgen, dass unser Berggipfel nicht gefährdet wird. Aber auch du musst noch etwas tun.«
    »Was denn, Daniel?«
    »Erinnerst du dich an vorgestern am Strand? Als du mir helfen solltest? Bei der Frau im Kofferraum?«
    Sie nickte. »Du... du möchtest, dass ich dir dabei helfe, so etwas noch mal zu tun?«
    Seine blauen Augen starrten in ihre. »Du sollst nicht dabei helfen . Du sollst es selbst tun.«
    »Ich?«
    Er beugte sich näher zu ihr. »Ja. Falls nicht, werden wir nie in Frieden leben und auch nie zusammen sein können.«
    Sie nickte langsam. Dann gab er ihr die Pistole, die er dem Deputy vor James Reynolds’ Haus abgenommen hatte. Er zeigte ihr, wie man die Waffe bediente. Jennie war überrascht, wie einfach das war.
    Nun, mit all der Wut in ihr, spröde wie harter Karamell, ging Jennie zum Bett des billigen Hotels und schüttete den Inhalt der kleinen Einkaufstüte aus, die sie als Handtasche benutzte – die Waffe, die Hälfte ihres restlichen Geldes, ein wenig persönliche Habe und etwas, das Daniel ihr gegeben hatte: ein Stück Papier. Jennie faltete den Zettel auseinander und las, was darauf stand: die Namen Kathryn Dance, Stuart und Edie Dance sowie mehrere Adressen.
    Sie hörte die Stimme ihres Geliebten, während er die Pistole in die Tüte gesteckt und ihr gegeben hatte. »Hab Geduld, Liebling. Lass dir Zeit. Und was ist das Wichtigste, was ich dir beigebracht habe?«
    »Die Kontrolle zu behalten«, hatte sie aufgesagt.
    Er hatte gelächelt. »Du bekommst eine Eins plus, Liebling.« Und dann hatte er ihr einen – wie sich herausstellte, seinen letzten – Kuss gegeben.

...Zweiundsechzig

    Dance verließ die Zentrale und fuhr zum Point Lobos Inn, um die Rechnung von Kelloggs Kreditkarte auf das Konto des CBI umbuchen zu lassen.
    Charles Overby war natürlich nicht erfreut über die

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