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Die Menschenleserin

Die Menschenleserin

Titel: Die Menschenleserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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Kosten, aber es lag ein gewisser Interessenkonflikt darin, einen Angeklagten für Ausgaben bezahlen zu lassen, die genau der Institution zugutekamen, die ihn verhaftet hatte. Daher hatte Overby eingewilligt, die Hotelrechnung zu übernehmen. Sein großer Moment, in dem er das Verfahren gegen Kellogg unterstützt hatte, färbte leider nicht auf andere Aspekte seiner Persönlichkeit ab. Er jammerte mächtig über die einzelnen Posten. (» Jordan Cabernet? Wer hat den getrunken? Und gleich zwei Flaschen?«)
    Dance erzählte ihm nicht, dass sie Samantha angeboten hatte, noch ein paar Tage zu bleiben.
    Auf der Fahrt hörte sie Musik von Altan, der keltischen Gruppe. »Green Grow the Rushes O« hieß das Lied. Die Melodie war beklemmend, was unter den gegebenen Umständen angemessen erschien, denn Dance war zu einem Ort unterwegs, an dem Menschen gestorben waren.
    Sie dachte an die Reise nach Südkalifornien, die sie nächstes Wochenende samt Kindern und Hunden unternehmen würde, um die Musik einer mexikanischen Gruppe namens Ojai aufzunehmen. Die Bandmitglieder waren Fans der Internetseite und hatten Martine per E-Mail einige Proben ihrer Musik geschickt. Dance wollte Liveaufnahmen anfertigen. Die Rhythmen waren faszinierend. Sie freute sich schon auf den Ausflug.
    Hier in der Gegend war nicht viel los; das schlechte Wetter hatte sich zurückgemeldet. Dance sah auf der ganzen Straße nur ein einziges anderes Auto, einen blauen Mittelklassewagen, knapp einen Kilometer hinter ihr.
    Sie bog von der Straße zum Point Lobos Inn ab und warf einen Blick auf ihr Telefon. Noch immer keine Nachricht von O’Neil, stellte sie besorgt fest. Dance hätte einen dienstlichen Grund vortäuschen und Michael so zum sofortigen Rückruf veranlassen können. Aber das gehörte sich nicht. Außerdem war es vermutlich besser, etwas Abstand zu wahren. Es gab einen ziemlich schmalen Grat, wenn man mit einem verheirateten Mann befreundet war.
    Sie folgte der Zufahrt des Hotels, parkte und lauschte dem Ende des schwermütigen Liedes. Sie musste an die Beisetzung ihres Mannes denken.
    Es war logisch, dass Bill, der eine Frau und zwei Kinder hinterließ und in Pacific Grove gewohnt hatte, auch unweit davon begraben werden sollte. Seine halsstarrige Mutter jedoch bestand darauf, dass man ihn in San Francisco beerdigen würde, einer Stadt, der er im Alter von achtzehn Jahren entflohen war, um danach nur noch an vereinzelten Feiertagen zurückzukehren. Mrs. Swenson ließ sich davon nicht beirren.
    Am Ende hatte Dance sich durchgesetzt, obwohl die Tränen ihrer Schwiegermutter ihr zu Herzen gegangen waren und sie für diesen Sieg in den kommenden Jahren immer wieder kleine Opfer hatte bringen müssen. Bill lag nun auf einer Hügelflanke, von der aus man jede Menge Bäume, ein Stück des Pazifischen Ozeans und einen Zipfel des neunten Lochs von Pebble Beach sehen konnte – eine Grabstelle, für die Tausende von Golfern viel Geld gezahlt hätten. Zwar hatten weder Dance noch ihr Mann je Golf gespielt, aber sie wusste noch, dass sie beide irgendwann hatten Unterricht nehmen wollen.
    »Vielleicht wenn wir in Pension gehen«, hatte er gesagt.
    »Pension. Was hat das doch gleich zu bedeuten?«
    Dance stieg nun aus, ging zum Büro des Point Lobos Inn und kümmerte sich um den Papierkram.
    »Es gab bereits ein paar Anrufe«, sagte die Hotelangestellte.
    »Von Reportern, die das Haus fotografieren wollen. Und jemand hat vor, Führungen zu der Stelle zu veranstalten, an der Pell erschossen wurde. Das ist doch krank.«
    Ja, das war es. Morton Nagle hätte nichts dafür übriggehabt; eventuell würde der taktlose Veranstalter sich ja als Fußnote in Die Schlafpuppe wiederfinden.
    Als Dance zum Wagen zurückging, sah sie in der Nähe eine Frau stehen, die durch den Dunst in Richtung Meer schaute und deren Jacke in der Brise flatterte. Sobald Dance sie passiert hatte, wandte die Frau sich von dem Ausblick ab und folgte ihr in gleichbleibendem Abstand.
    Dance fiel zudem auf, dass nicht weit von ihr ein blaues Auto geparkt stand. Es kam ihr bekannt vor. War das der Wagen, den sie im Rückspiegel gesehen hatte? Dann bemerkte sie, dass es sich um einen Ford Focus handelte, und erinnerte sich daran, dass der bei Moss Landing gestohlene Ford bisher nicht entdeckt worden war. Auch er war blau gewesen. Gab es noch andere offene Punkte, die...?
    In diesem Moment beschleunigte die andere Frau ihren Schritt. »Sind Sie Kathryn Dance?«, rief sie barsch über den Wind

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