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Die Menschenleserin

Die Menschenleserin

Titel: Die Menschenleserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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kontrollierte Zonen?«
    Ein Pause. »Kontrollzonen.«
    »Wäre ›kontrollierte Zonen‹ nicht sinnvoller? Sind Sie sicher, dass es nicht so heißen muss?«
    Er wurde nervös. »Tja, keine Ahnung. Was für einen Unterschied macht es? Wir benutzen beides.«
    »Und gilt dieser Begriff auch für andere Bereiche? Zum Beispiel das Büro der Direktorin oder der Umkleideraum der Wärter – sind das auch Kontrollzonen?«
    »Sicher... ich meine, manche Leute benutzen diesen Begriff häufiger als andere. Ich habe ihn in einem anderen Gefängnis aufgeschnappt.«
    »Und in welchem?«
    Eine Pause. »Oh, das weiß ich nicht mehr. Sehen Sie, es klang bei mir vielleicht so, als wäre das eine offizielle Bezeichnung, aber es ist einfach irgendein Begriff, der sich eingebürgert hat. Jeder im Knast benutzt einen Jargon. In allen Gefängnissen, nicht nur bei uns. Das ist nichts Offizielles oder so. Hier beim CBI machen Sie es doch bestimmt genauso, oder? Wie überall.«
    Er spielte ein falsches Spiel: Verdächtige versuchen häufig, sich mit dem Beamten auf eine kameradschaftliche Ebene zu stellen (»Sie machen es doch bestimmt genauso«), und benutzen Verallgemeinerungen und abstrakte Begriffe (»jeder«, »überall«).
    »Ob autorisiert oder nicht und in welcher Zone auch immer«, sagte Dance leise und ruhig. »Haben Daniel Pell und ein Computer sich in Capitola jemals zur selben Zeit im selben Raum befunden?«
    »Ich habe ihn nie an einem Computer gesehen, ich schwöre. Ehrlich.«
    Der Stress, der Menschen beim Lügen befällt, versetzt sie in einen von vier Gemütszuständen: Sie werden wütend, sie werden deprimiert, sie verleugnen oder sie wollen etwas aushandeln, um Schwierigkeiten zu vermeiden. Die Worte, die Waters soeben benutzt hatte – »ich schwöre« und »ehrlich« – waren Ausdrücke, die deutlich von seinem normalen Verhalten abwichen. Gemeinsam mit der aufgeregten Körpersprache verrieten sie Dance, dass der Aufseher sich im Stadium der Verleugnung befand. Er konnte die Wahrheit dessen, was er im Gefängnis getan hatte, einfach nicht akzeptieren und drückte sich vor der Verantwortung.
    Es ist wichtig, die gegenwärtige Stressphase des Verdächtigen zu bestimmen, weil der Fragende seine Taktik danach ausrichten kann. Wenn der Befragte beispielsweise zornig ist, ermuntert man ihn, seiner Wut Luft zu verschaffen, bis er erschöpft ist.
    Bei Verleugnung geht man auf Basis der Fakten zum Angriff über.
    Was Dance nun tat.
    »Sie haben Zutritt zu dem Büro, in dem die Computer stehen, nicht wahr?«
    »Ja, habe ich. Na und? Das gilt für alle Wärter... He, was versuchen Sie hier? Ich bin auf Ihrer Seite.«
    Das typische Ablenkungsmanöver eines Leugners, das Dance ignorierte. »Und Sie haben gesagt, es sei möglich, dass manche Häftlinge ebenfalls in das Büro gelangen könnten. Ist Pell je in diesen Räumen gewesen?«
    »Nur Gefangene, die kein Gewaltverbrechen begangen haben, dürfen...«
    »Ist Pell je in diesen Räumen gewesen?«
    »Ich schwöre bei Gott, ich habe ihn dort nie gesehen.«
    Dance bemerkte die Gesten, mit denen er unbewusst seine Anspannung abbauen wollte: das unruhige Fingerspiel, das Tappen mit dem Fuß, die auf sie gerichteten Schultern (wie bei einem Footballspieler in Verteidigungshaltung) und die häufigen Blicke zur Tür (Lügner halten tatsächlich nach Fluchtwegen Ausschau, auf denen sie dem Stress des Verhörs entfliehen könnten).
    »Das ist ungefähr das vierte Mal, dass Sie meine Frage nicht beantwortet haben, Tony. Also, hat Pell sich in Capitola jemals in einem Raum mit Computer aufgehalten?«
    Der Aufseher verzog das Gesicht. »Es tut mir leid. Ich wollte nicht, Sie wissen schon, schwierig sein. Ich war bloß irgendwie durcheinander, schätze ich. Ich meine, es hat sich so angefühlt, als würden Sie mir etwas vorwerfen. Okay, ich hab ihn nie an einem Computer gesehen, wirklich. Ich hab nicht gelogen. Diese ganze Sache regt mich ziemlich auf. Das können Sie sich ja vorstellen.« Seine Schultern sackten herab, sein Kopf senkte sich einen Zentimeter.
    »Natürlich kann ich das, Tony.«
    »Unter Umständen könnte Daniel an einen Computer gelangt sein.«
    Dances Angriff hatte Waters vor Augen geführt, dass es schmerzvoller war, das unbarmherzige Verhör über sich ergehen zu lassen, als die Lüge einzugestehen. Als hätte man einen Schalter umgelegt, befand Waters sich plötzlich in der Phase des Aushandelns. Das bedeutete, er hatte sich dem Punkt genähert, an dem er die Irreführung

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